Die reinen Herzens sind
Raster. Natürlich wäre ich meiner Sache sicherer, wenn die Gesichtsknochen intakt gewesen wären. Aber mit ein bißchen Phantasie …«
»Eine schwarze Amerikanerin«, sagte Marge. »Niemand, mit dem wir gesprochen haben, hat gesagt, daß Marie mit einer Farbigen befreundet war.« Sie hielt kurz inne. »Allerdings haben wir auch nicht danach gefragt.«
Annie stand auf. »Kompliziert die Sache etwas, oder?«
»Falls das noch möglich ist, ja«, sagte Marge.
»Ich faxe meinen Bericht morgen nachmittag durch, okay?«
»Danke, Annie.«
»Trinken wir noch was zusammen, bevor wir für heute Schluß machen?« schlug Annie vor.
»Ich muß nach Hause«, wehrte Decker ab.
»Ah. die neugeborene Tochter«, seufzte Annie. »Viel Spaß beim Kinderhüten, Pete!«
Decker lachte. »Ich bringe Sie zum Wagen.«
»Wir sehen uns dann im Bereitschaftsraum!« rief Marge ihm nach. »Zur vorläufigen Obduktion!«
»In Ordnung!«
Decker und Dr. Hennon gingen den leeren Gang des Laborkellers entlang. Während oben im Revier noch lebhafter Betrieb herrschte, waren die Labore wie ausgestorben. Sie fuhren mit dem Lift ins Parterre hinauf. Decker führte Annie zum Hinterausgang. Der Abend war mild und schön, der Himmel sternenklar. Es war eine Nacht voller Romantik. Decker wünschte sich bei Rina zu Hause.
Annie und Decker schlenderten schweigend über den Parkplatz. Beide genossen die milde Luft. Annie zog den Autoschlüssel heraus und zögerte, die Tür aufzuschließen.
»Von welcher Obduktion hat Marge eben gesprochen?«
Decker grinste. »Wir vergleichen nur unsere Notizen. Marge nennt das so.«
»Sie vernehmen die Verdächtigen nicht gemeinsam?«
»Nein, das machen wir getrennt.«
»Wieso arbeiten die Cops im Fernsehen immer zu zweit?«
»Die haben nicht mit unseren Budgetkürzungen zu kämpfen.«
Annie schüttelte Decker die Hand. »Noch mal vielen Dank für Ihre Hilfe.«
»Das Vergnügen war ganz auf meiner Seite.«
»Viel Spaß mit Ihrem Verschwender.«
»Danke.« Annie schloß den Jeep auf. »Mit ein bißchen Glück lasse ich mich auch noch zum Dolcefarniente bekehren.«
Als Decker in den Bereitschaftsraum der Kriminalpolizei zurückkam, hatte Marge bereits die Röntgenbilder als Beweisstücke abgelegt und erledigte Papierkram an ihrem Schreibtisch. Im fahlen Licht der Nachtbeleuchtung und bei halber Besetzung wirkte der Raum deprimierend kahl. Die sommerliche Stickigkeit verstärkte den Eindruck noch. Auch die offenen Fenster und die Ventilatoren konnten daran nichts ändern.
»Ich habe frischen Kaffee gekocht. Entkoffeiniert. Schenk du ein.«
»Wie immer?«
»Heute nehme ich mal zwei Löffel Zucker. Ich lebe gefährlich.«
Decker lächelte, während er den Kaffee einschenkte und sich dann ihr gegenübersetzte.
»Danke.« Marge trank einen Schluck Kaffee.
»Willst du anfangen?« fragte Decker.
»Nein, mach du nur!«
Decker trank die Hälfte seines Kaffees und berichtete von seiner Unterredung mit Dr. Meecham. Marge wiederholte ihr Gespräch mit Tandy Roberts. Als sie beide geendet hatten, schwirrte Decker der Kopf. Es war Zeit, Ordnung in den Faktenwust zu bringen.
»Wechseljahre mit vierzig.« Marge schüttelte den Kopf. »Mann, damit hätte ich meine Schwierigkeiten. Und ich bin nicht gerade der mütterliche Typ. Aber wenn ich auf einmal all meine Felle wegschwimmen sehen …«
Decker schwieg.
»Was gibt’s, Pete?«
»Was du gerade gesagt hast. Daß Maries Erwartungen an das Leben plötzlich sehr eingeschränkt waren. Ist Rina auch gerade passiert. Die freie Entscheidung für ein Kind hat sich erledigt. Und Rina hat gesunde Kinder. Ich kann mir vorstellen, was das für eine kinderlose Frau bedeutet. Trotzdem … all das Gerede über Motive verrät uns auch nicht, wer Maries Honda angezündet hat.«
»Pete, wir sollten es vielleicht mit einem dieser Computer-Animations-Programme probieren. Ich meine, um aus dem Schädel der Leiche ein Gesicht zu rekonstruieren.«
»Das dauert zwei bis drei Wochen. Aber wir können jede Hilfe gebrauchen. Im Fall eines entführten Säuglings würde Morrison vermutlich das Geld zur Verfügung stellen. Soviel ich weiß, hat Toronto so ein High-Tech-Programm. Vielleicht gibt’s auch eines in unserer Nähe.«
»Ich kümmere mich darum.«
»Inzwischen machen wir auf altmodische Art weiter.«
»Wer könnte unsere Leiche sein?« fragte Marge. »Also, weder Tandy noch Paula haben je eine farbige Freundin erwähnt. Soll ich sie noch mal gezielt danach fragen?«
»Ruf
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