Die reinen Herzens sind
würde.«
»Nicht besonders schlau gedacht. Nicht alle Autos explodieren.« Marge hielt inne. »Möglich, daß jemand erst unten in der Schlucht ein Streichholz reingeworfen hat.«
»Möglich.«
»Pete, wenn derjenige die Farbige umgebracht hat, warum dann nicht auch Marie?«
»Wer sagt, daß derjenige Marie nicht umgebracht hat?«
24
Bevor Decker den Motor ausstellte, knipste er die Innenbeleuchtung des Plymouth an und machte eine Liste mit den Dingen, die er am nächsten Morgen erledigen wollte. Dann versuchte er abzuschalten. Ein schwieriges Unterfangen.
Er stieg aus und ging in die Dunkelheit hinein. Der Duft von Orangen und Zitronen hing in der Luft. Die Grillen veranstalteten ihr atonales Konzert, eine Nachtigall, die ihr Nest in einer sechs Meter hohen Platane hatte, schmetterte Arien aus der Zauberflöte. Er öffnete die Tür. Im Haus herrschte Totenstille. Es dauerte einige Minuten, bis er merkte, daß man im Wohnzimmer ein Faltbett aufgestellt hatte. Die schmale Gestalt unter der Decke drehte sich um. Decker erkannte Nora, die Säuglingsschwester. Wenige Sekunden später tauchte der massige Schatten von Ginger auf. Sie erkannte ihr Herrchen und sprang an Decker hoch.
»Na, wie geht’s, altes Mädchen?« flüsterte er.
Der Hund wedelte heftig mit dem Schwanz und jaulte.
»Hallo?« flüsterte Nora.
»Ich bin’s«, antwortete Decker leise. »Tut mir leid, daß ich Sie geweckt habe.«
»Nicht schlimm, Sergeant.«
»Schlafen alle?«
»Wir haben bis zehn Uhr noch gespielt. Ihre große Tochter war so erschöpft, daß sie vor dem Fernseher eingeschlafen ist. Ich mußte sie fast ins Bett tragen.«
Decker lächelte und kraulte Gingers Kopf. »Das Baby ist bei Rina?«
»Ja. Sie sollten sich mal mit Ihrer Frau unterhalten, Sergeant. Die Wunde wird nicht heilen, wenn sie weiter so übertreibt.«
Decker stellte seine Aktentasche auf den Eßtisch. »Inwiefern übertreibt?«
»Sie steht dauernd auf. Dabei sollte sie im Bett bleiben. Sie ist ständig mit dem Baby zugange. Warum bezahlen Sie mich, wenn sie alles selbst macht und sich dabei überanstrengt? Kaum gibt die Kleine einen Ton von sich, springt sie auf und nimmt sie aus der Wiege. Sie macht nicht nur sich völlig fertig, sie gibt Hannah keine Chance, richtig auszuschlafen. Auch ihre Mutter macht sich schreckliche Sorgen, aber sie läßt sich nichts sagen.«
»Ich rede mit ihr«, versprach Decker.
»Wecken Sie sie nicht«, sagte Nora. »Die beiden sind gerade erst eingeschlafen.«
Decker nickte. Ginger stand plötzlich mit der Leine im Maul vor ihm.
»Na, was soll das denn heißen?« flüsterte er.
»Armes Tier. Wir haben es völlig vergessen«, sagte Nora.
Der Hund neigte den Kopf zur Seite. Die Leine schlenkerte hin und her.
Decker seufzte. »Na, gut. Wir gehen noch schnell Gassi.«
Bei dem Wort »Gassi« begann der Hund mit einem wilden Tanz bis zur Hintertür und ins Freie. Dort machte sie als erstes ihre Runde zu den Pferden. Alle Köpfe fuhren hoch, als sie in den Stall kam. Eine Stute stieß ein leises Wiehern aus. Ginger wedelte kurz, machte kehrt und lief durch den Orangen- und Zitronengarten voraus.
Decker pflückte ein paar rosa Grapefruits für das Frühstück und steckte ein halbes Dutzend Mandarinen ein. Er beobachtete Ginger, die zwischen den Baumreihen hindurchjagte. Er setzte sich unter das Blätterdach eines Avocadobaums und lehnte den Rücken gegen den knorrigen Stamm. Er schälte eine Mandarine und warf die Schalen unter die Bäume. Seine natürliche Düngemethode.
Dann steckte er die halbe Mandarine in den Mund, genoß das saftig-süße Fruchtfleisch. Ginger kehrte zu ihm zurück und schnupperte an seinen Händen. Decker gab ihr ein Stück Mandarine, horchte auf die Geräusche der Nacht und war entspannt wie schon lange nicht mehr. Schließlich sank er gegen den Baumstamm zurück und schloß die Augen. Er wachte auf, weil Nora an seiner Schulter rüttelte und Ginger ihm das Gesicht leckte.
»Alles in Ordnung, Sergeant?«
»Ich bin schon wach! Ich bin schon wach.« Er stand auf. »Ich muß hier eingeschlafen sein. Es ist nicht zu fassen. Wie viel Uhr ist es?«
»Kurz nach zwei. Ich habe gehört, wie Rina aufgestanden ist und wollte nach ihr sehen. Sie waren nicht da …« Sie zog den Morgenmantel fester um sich. »Da habe ich mir Sorgen gemacht.«
»Mir geht’s gut.« Decker reckte die verspannten Glieder. »Zeit für meinen Auftritt bei Frau und Tochter. Komm, Ginger! Die Zivilisation hat uns
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