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Die reinen Herzens sind

Die reinen Herzens sind

Titel: Die reinen Herzens sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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ihrer Mutter. Marie hat selten von sich geredet. Sie war zu sehr damit beschäftigt, über meine Probleme zu diskutieren.«
    Das deckte sich mit Paulas Aussage. »Hat sie je jemanden außerhalb der Stadt besucht?«
    »Nicht daß ich wüßte.«
    »Hat sie die Stadt je verlassen? Ferien, einen Ausflug gemacht?«
    Tandy trommelte mit den Fingern auf die Theke. Dann faltete sie die Hände. »Wir sind ein paarmal zum Zelten gefahren.«
    Marge überlegte. »Wessen Idee war das?«
    »Maries. Sie zeltete gern. Sie sagte, sie könne in der freien Natur mit Gott sprechen. Ich glaube, sie ist oft an Wochenenden allein zum Camping gefahren. Jedenfalls war sie perfekt beim Zelten. Für mich war das nichts.«
    »Was soll das heißen, sie war ›perfekt‹?«
    »Einfach, daß sie sich in der Wildnis gut auskannte. Sie kannte viele Pflanzen, wußte, was man essen konnte und so weiter. Wie eine Überlebenskünstlerin, allerdings ohne Waffen. Mit Messer, Axt und Säge konnte sie natürlich umgehen. Fürs Feuer hat sie selbst Holz geschlagen. Mir sind fließendes Wasser und Salatbars lieber. Besten Dank.«
    Tandy warf ihr Haar zurück.
    »Sonst noch was? Ich möchte jetzt gern mein Training fortsetzen.«
    Marge klappte ihren Notizblock zu und legte ein paar Dollar auf den Tisch. »Danke, im Augenblick ist das alles.«
    Vom Fahrersitz ihres Hondas aus beobachtete Marge, wie Tandy in das Bodybuilding-Studio zurückkehrte. Sie griff nach ihrem Funkgerät, rief bei der Fahrzeugzulassungsstelle an und ließ sich Marke und Kennzeichen von Tandys Auto durchgeben. Sie fuhr einen schwarzen Audi, Baujahr 1988. Marge brauchte nicht lange, um ihn auf dem Parkplatz hinter Silver’s ausfindig zu machen. Sie stellte ihren Honda einige Reihen hinter dem Audi ab, rutschte tief in den Sitz und wartete. Als nach ungefähr zehn Minuten noch immer nichts passiert war, richtete sie sich wieder auf.
    Selbst wenn Tandy Roberts keine weiße Weste hatte, zu übereilten Aktionen ließ sie sich offenbar nicht hinreißen.
    Marge rief über Funk im Tujunga Memorial Hospital an. Wie erwartet, hatte das Personalbüro bereits geschlossen. Sie meldete sich auf dem Revier und erfuhr das Neueste: Von dem Baby gab es noch keine Spur. Pete hatte um sieben Uhr eine Verabredung mit Dr. Meecham. Gegen acht wollte er Dr. Annie Hennon im Labor treffen. Er hatte Maries Zahnarzt ausfindig gemacht und die Röntgenaufnahmen beschafft. Er ließ fragen, ob sie ihn gegen acht auf dem Revier treffen könne.
    Marge sah auf die Uhr. Viertel nach sieben. Zwanzig Minuten waren vergangen. Tandy Roberts schien entschlossen zu sein, ihr tägliches Training zu absolvieren. Das bedeutete, daß sie Silver’s erst in zwei Stunden verlassen würde. Marge ließ nur widerwillig von der Spur ab, die sie intuitiv verfolgte. Schließlich siegte die Vernunft.
    Sie beschloß, bei dem Treffen zwischen Decker und Hennon dabei zu sein.
    23
    Der offizielle Termin schien bei Meecham eine Art Nestinstinkt ausgelöst zu haben. Bei der ersten Begegnung mit dem Frauenarzt vor einigen Jahren war Decker unangemeldet erschienen und hatte die Praxis des Arztes in einem chaotischen Zustand vorgefunden. Diesmal hatte sich Meecham die Zeit genommen aufzuräumen. Decker wußte, daß Meecham sich bald zur Ruhe setzen wollte. Aber das Alter stand ihm gut zu Gesicht. Er war schlank und fit, hatte weißes, volles Haar, einen ebenso weißen Schnurrbart und sonnengebräunte Haut. Seine schmale Nase war mit roten Äderchen durchzogen. Dem Genuß harter Drinks hatte er offenbar nicht abgeschworen. Er trug einen weißen, gestärkten Arztmantel über einem braunen Hemd und einer blauen Krawatte; er hielt Decker die Hand zum Gruß hin.
    »Das ist ein Wiedersehen unter denselben unerfreulichen Umständen«, sagte Meecham.
    Decker schüttelte ihm die Hand. »Danke, daß Sie sich Zeit für mich nehmen, Dr. Meecham.«
    »Stan, für Sie.« Der Frauenarzt setzte sich hinter seinen Schreibtisch und deutete auf einen Stuhl. »Wir sind ja mittlerweile schon gute alte Bekannte.«
    »Hören Sie noch gelegentlich von der Familie Darcy?« fragte Decker.
    »Von der Tante, ja.«
    »Wie geht’s dem kleinen Mädchen, Katie?«
    »Prima Gedächtnis. Geht ihr erstaunlich gut. Besser vermutlich als Marie Bellson. Da Sie hier sind, nehme ich an, daß Sie Marie noch nicht gefunden haben?«
    »Nein, offiziell noch nicht.«
    »Nicht offiziell, das klingt nicht gut.« Meecham griff nach einem Päckchen Zigaretten. »Sie rauchen doch, oder?«
    »Nicht

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