Die reinen Herzens sind
mehr.«
»Du liebe Zeit! Wir haben wieder einen guten Mann an die Gesundheitsapostel verloren.«
Decker lachte.
Meecham zog an seiner Zigarette. »Das Leben steckt voller Überraschungen«, seufzte er. »Sehen Sie sich Marie an. Sie war erst vor einem Monat bei mir. Ging ihr schon viel besser. Nichts deutete darauf hin, daß sie so negative Schlagzeilen machen würde. Und jetzt sagen Sie, man hätte sie ›offiziell‹ noch nicht gefunden. Was bedeutet das? Daß sie inoffiziell doch gefunden wurde?«
»Wir haben ihren Wagen entdeckt. Eine verkohlte Leiche war drin.«
»Großer Gott!« Meecham legte den Kopf in seine Hände. »Nichts ist so gefährlich wie das Leben.« Er sah auf.
»Deshalb haben Sie also angerufen und sich nach ihrem Zahnarzt erkundigt. Sie wollen sie aufgrund der zahnärztlichen Unterlagen identifizieren?«
»Richtig. Ich treffe die Zahnärztin von der Gerichtsmedizin in vierzig Minuten.«
»Wenn Sie eine weitere Bestätigung brauchen, kann ich einen Blick auf ihre Hüften werfen. Gott weiß, wie viele Röntgenaufnahmen ich von ihr gemacht habe.«
»Sie haben vor ungefähr drei Jahren eine Dilatation und Curettage bei ihr vorgenommen?«
»Sicher.«
Decker sah Meecham in die Augen. »Es war eine Abtreibung, stimmt’s, Doktor?«
Meecham lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Wie kommen Sie denn darauf? Nein, es war keine Schwangerschaftsunterbrechung. Es war eine Dilatation und Curettage. Ganz einfach. So einfach natürlich auch wieder nicht. Marie hatte eine Menge gesundheitlicher Probleme.«
»Probleme? Welcher Art?«
»Nun, da sie vermutlich tot ist, bin ich meiner Schweigepflicht enthoben, oder?«
Decker zuckte kommentarlos mit den Achseln.
Meecham schüttelte den Kopf. »Mann, die Sache macht mich krank! Arme Marie! Jahrelang hat sie gegen Endometriose gekämpft. Krämpfe, unregelmäßige Blutungen und fibröse Veränderungen. War alles in Unordnung geraten.«
»Waren Abtreibungen in jungen Jahren die Ursache ihrer Probleme?«
»Sie sind gut informiert.«
»Gehört zu meinem Job.«
Decker wartete darauf, daß Meecham fortfuhr. Der Frauenarzt zögerte lange.
Decker wiederholte seine Frage.
Meecham zog an seiner Zigarette. »Möglich. Vorausgesetzt, es wurde unsauber gearbeitet. Es könnten aber auch einfach ihre Gene dran schuld gewesen sein. Für mich war es unwichtig, woher ihre Probleme kamen. Ich wollte sie behandeln. Inwiefern sind ihre medizinischen Probleme für ihr Verschwinden und das des Babys relevant?«
»War Marie depressiver als gewöhnlich? Sagen wir, in den vergangenen sechs Monaten?«
»Ah, ich verstehe, wo die Reise hingeht. Sie glauben, ihre Probleme könnten ihre Psyche verändert haben?«
»Das frage ich Sie. War sie wegen ihrer Probleme deprimiert?«
»Natürlich war sie deprimiert. Sie war erst vierzig und am Beginn ihrer Menopause.«
Menopause! Decker fiel augenblicklich ein, daß Cindy die Menopause als Grund für eine Dilatation und Curettage genannt hatte. Er zückte seinen Notizblock. »Können Sie mir mehr darüber sagen?«
»Da sie wohl tot ist, denke ich schon. Die Menopause kann ein schwieriger Prozeß sein. Abgesehen davon, daß die Hormone durcheinander geraten und das ganze System auf den Kopf stellen, ist da die emotionale Komponente. Eine harte Zeit für die meisten Frauen. Das Ende der Periode mit vierzig ist eine psychische Keule. Es kann seltsame Dinge mit der Seele der Frauen anstellen.«
»Hatte Marie Anzeichen von solchen Veränderungen?«
»Sie hat nie behauptet, die Entführung eines Babys zu planen, wenn Sie das meinen.«
»Ich habe das nicht speziell gemeint. Ganz allgemein.«
»Sie hatte Hormonstörungen. Aber sie war klug genug, sie als solche zu begreifen. Wir haben eine Anzahl unterschiedlicher Therapien ausprobiert, um ihre Stimmungsschwankungen zu bekämpfen.«
»Hatten Sie Erfolg?«
»Ja, das möchte ich glauben. Sie hat gesagt, bei der Arbeit ginge es ihr gut. Das Schlimmste für sie waren die Nächte allein zu Hause. Dann kamen die Depressionen. Sie wissen vermutlich, daß ihre Mutter in einem Pflegeheim lebt. Andere Familienangehörige hatte Marie offenbar nicht.«
»Was ist mit Freunden?«
»Ich bin sicher, daß sie Freunde hatte. Aber wer will schon über eine verfrühte Menopause mit Freunden reden? Ich habe ihr vorgeschlagen, sich eine Katze oder einen Hund anzuschaffen, etwas Lebendiges. Einen treuen Hausgenossen. Und sie hat auf mich gehört. Es hat ihr geholfen.«
Decker dachte an das kleine
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