Die Reise-Bibel
den unbeliebtesten Deutschen überhaupt. Jedenfalls bei den Reisenden,
die sich hin und wieder in einen Zug setzen. Er hat das sogar schriftlich: Die Zeitschrift ›View‹ machte im März 2008 eine
Umfrage unter dem Motto: »Wer macht seinen Job am besten?« Dabei gewann Thomas Gottschalk, |124| aber das ist eine andere Geschichte. Schlimm hingegen für den Bahnchef Mehdorn, dass er zusammen mit SP D-Frau Ypsilanti am anderen Ende der Skala auftaucht. Offenbar aber perlt das am knorrigen gebürtigen Warschauer ab. Er poltert
sich seit Jahren unverdrossen durch die deutschen Polit-Talkshows, um sich wegen permanenter Zuspätkommerei seiner Züge, seines
vermeintlich inkompetenten Personals oder der Lücken in den Sicherheitsstandards seiner Züge zu rechtfertigen. Im Übrigen
habe Mehdorn aber nur ein einziges Ziel und das verleihe ihm Extrakräfte, beschied der ›Stern‹: »In die Weltwirtschaftsgeschichte
einzugehen als der Mann, der die Bahn privatisierte und an die Börse brachte.« Das scheint nun eher nicht zu klappen wie vom
Meister geplant, zu viel Schmu hinter den Kulissen, zu hohe in Aussicht gestellte Manager-Boni. Die öffentliche Empörung darüber
kümmert Mehdorn auch in diesem Punkt wenig, er spinnt ungebremst internationale Allianzen. Dabei wären die Reisenden in Deutschland
schon froh, wenn er vor Ort das ein oder andere Problem der deutschen Eisenbahn in den Griff bekommen würde, statt seine Angestellten
ausspionieren zu lassen.
Neckermann, Josef
Neckermann machte in seinem Leben so einiges möglich … Mit dem Erbe des erfolgreichen Vaters ausgestattet, profitierte er in den dreißiger Jahren von diversen Arisierungen jüdischer
Unternehmen in Würzburg und baute nach dem Krieg ein ordentliches Firmenimperium. Ein dunkler Fleck in seiner Vita: Neckermann
weigerte sich nach dem Krieg lange, angemessene Entschädigungen für die jüdischen Unternehmer zu zahlen, deren Betriebe er
übernommen hatte. Seine unrühmliche Rolle im Dritten Reich beschrieb der später als »Mitläufer« klassifizierte Neckermann
lapidar mit dem Satz: »Ich hatte nicht das geringste Bedürfnis, in Schwierigkeiten |125| zu geraten. In politischen Dingen liegt mir keine tätige Opposition. Ich tauge nicht zum Märtyrer.« So kann man’s natürlich
auch sagen. Trotzdem: Die Wirtschaftswunderzeit in den sechziger Jahren in Deutschland ist eng verknüpft mit dem Slogan: »Neckermann
macht’s möglich«. Dazu gehörten später auch Reisen, denn in den sechziger Jahren gründete der gebürtige Würzburger das Unternehmen
»Neckermann und Reisen« (NUR). Bekannt wurde er auch als Dressurreiter, er gewann sogar Medaillen bei Olympia und engagierte
sich später für die Sporthilfe. Mitte der siebziger Jahre war der Firmen-Spuk allerdings vorbei, Neckermanns Imperium ging
an die Karstadt AG. Die Marke »Neckermann Reisen« allerdings arbeitet bis heute.
Papst Johannes Paul II.
Diese Bilder kennt die Welt: Immer wenn Johannes Paul II. eine Reise unternahm, dann küsste er nach seiner Ankunft den Boden
des jeweiligen Gastgeberlandes. Wir haben ihn oft da unten gesehen. So oft, dass selbst das Internetportal »Katholisch.de«
den ehemaligen Boss seines Ladens den »Reisepapst« nennt, obwohl auch Papst Paul der VI. diesen Titel hin und wieder verliehen
bekam. Tatsächlich hat aber nur Johannes Paul II. eine solche Ehrung wirklich verdient: Der Pole Karol Wojtyla – so sein bürgerlicher
Name – unternahm von 1979 bis 2004 insgesamt 104 Reisen ins Ausland, auf denen er 127 Länder besuchte. Seine Tour über die Kontinente begann 1979 mit einer Woche Dominikanische Republik, Mexiko und Bahamas, sie
endete im August 2004 im französischen Lourdes, als er von seiner schweren Krankheit schon arg gezeichnet war. Einer der Höhepunkte
seiner Auslandsreisen war sicherlich die Reise nach Manila. Hier hielt er 1995 vor vier Millionen Menschen einen Gottesdienst
– es war zugleich die größte Versammlung in der Geschichte der Menschheit.
|126| Polo, Marco
Die letzten Worte des berühmten Weltreisenden aus Venedig sollen gelautet haben: »Ich habe nicht mal die Hälfte von dem erzählt,
was ich gesehen habe.« Dieses Bekenntnis scheint dem einstigen Händler eine Herzensangelegenheit gewesen zu sein, denn schon
die Zeitgenossen Marco Polos hielten den Mann für einen Aufschneider allererster Kategorie und nicht für den Weltenbummler
und -entdecker, als den er sich
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