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Die Reise-Bibel

Titel: Die Reise-Bibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Braun
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immer ausgab. So wurde bezweifelt, dass Marco Polo – obschon er um das Jahr 1300 bereits blumige
     Beschreibungen des chinesischen Lebens ablieferte – persönlich jemals in China gewesen ist, wie er behauptete. Auch die internationale
     Marco-Polo-Forschung ist sich einig: Der Mann war nie da.
    Polt, Gerhard
    Ein Mensch, der im bayrischen Altötting als Sohn eines Rechtsanwalts aufwächst und sich zu einem Studium der Skandinavistik
     in Göteborg berufen fühlt, ist schon einmal per se ein schräger Charakter. Wie auf biermoesl-blosn.de zu lesen ist: »Gerhard
     Polt verkörpert wie kaum ein anderer die Zerrissenheit des bayrischen Wesens zwischen Spießertum und Anarchie.« Polt hat wunderbare
     Filme gemacht. Vor allem: ›Man spricht deutsh‹. Wer sich schon immer mal gefragt hat, wie sich der Deutsche im Ausland so
     aufführt, dem sei dieser von Hans Christian Müller schon 1988 inszenierte Film wärmstens ans Herz gelegt. In jenem filmischen
     Doku-Drama sehen wir den letzten Tag der Familie Löffler aus Ampermoching an der Adria. Man regt sich über die vielen Italiener
     auf, die »Poseidon Platte« mundet nicht und überhaupt ist man schon froh, dass einem die Italiener nicht das Auto unterm Hintern
     klauen. Kaum jemand hat die deutsche Urlaubsseele so treffend aufs Korn genommen wie Polt.

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    |127| Reise-Szenen (Teil 4)
Dr.   Constantin Megrette trinkt Rotwein (was er besser nicht getan hätte)
    Drei Stunden später ist Dr.   Megrette betrunken. Nicht nur so ein bisschen. Wir reden von einem Vollrausch. Unruhig rollen die Augen, manchmal schon rumort
     es aus ihm wie aus einem prähistorischen Tier. Er hat inzwischen lernen müssen, dass ihm Kognak und Champagner in der Holzklasse
     grundsätzlich verwehrt bleiben. Außerdem muss er den fuseligen Rotwein, den er außerhalb der Mahlzeiten zu sich nehmen möchte,
     auch noch teuer bezahlen, was ihn wurmt. Aber er weiß sich nicht anders zu helfen. Viermal hat er schon nachgeordert, und
     diese impertinente Saftschubse mit ihrem Problembecken hat ihn bei seiner letzten Bestellung bereits spitz gefragt, ob er
     da wirklich sicher sei und er nicht schon genug getrunken habe. Hat er sie mal kurz angrunzen müssen, der Doktor. Und ob er
     sicher ist. Diese Vorhölle hier ist schließlich nicht anders zu ertragen. Eingepfercht in seinem Sitz erhält er von links
     Informationen von einer unablässig plappernden Frau, die ihm inzwischen das Du angeboten hat. Es geht hauptsächlich um das
     Leben ihrer Sippe in einem Hamburger Problembezirk und die hanebüchene Geschichte ihrer Reise, die sie vor Monaten eigentlich
     in die Dominikanische Republik führen sollte, aufgrund skandalösen Fehlverhaltens ihrer Fluggesellschaft und eines guten Anwalts
     aber in eine Entschädigungsreise nach Los Angeles mündete. Disneyland. Von Bomben im Flughafen ist in ihrem Gebrabbel die
     Rede und einer Boje, die man aus Spaßzwecken mitgeführt habe und die dann zum Corpus Delicti geworden sei, wobei, ganz ehrlich:
     Eigentlich sei ja |128| wieder mal die Flachpfeife schuld gewesen, ihr versoffener Gatte, doch das habe man vor Gericht verschleiern können. Dr.   Megrette schwirrt der Kopf von so vielen unzusammenhängenden Informationen. Zudem arbeitet der Rotwein an seinem augenscheinlichen
     Verfall. Das Mädchen neben ihm,
Natascha Brioche
, allein bei dem Namen schüttelt es ihn, riecht merkwürdig, seitdem es vom ersten Toilettengang zurück ist. Eine Mischung
     aus Mundwasser, Calvin Klein Obsession und etwas, das den Doktor an tote Taube erinnert, beherrscht ihre Aura. Der Versuch,
     sich möglichst nach links zu wenden und Atemluft aus einem geruchsneutraleren Bereich zu beziehen, führt dazu, dass er den
     offenen Mund von Kevin Miami vor Augen hat. Strähnchen im Haar, Bläschen im Mundwinkel, blecherne Musikfetzen   – Rammstein?– aus den Ohrstöpseln. Zudem denkt Helga – er soll diese Person jetzt wirklich
Helga
nennen   –, dass der Doktor sich für ihre Erzählungen wahrhaftig interessiert, wenn er sich nach links wendet. Das ist es, was man
     eine Zwickmühle nennt.
     
    Dreimal ist der Doktor schon geflüchtet. Beim letzten Mal hat er aus lauter Verzweiflung auf der Toilette geraucht, um sich
     zu beruhigen, und den Alarm ausgelöst. Sofort kam das Problembecken angerannt und hat ihn aus der Klokabine geklopft. Hatten
     die nicht früher mal hübschere Stewardessen? Er hat natürlich alles geleugnet, doch er hat die Blicke der anderen

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