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Die Reise nach Uruk

Die Reise nach Uruk

Titel: Die Reise nach Uruk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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maßlosen Erstaunen scheiterte der Manipulationsversuch. Die Magie der Zeit ... gehorchte ihm nicht!
    Er wankte, weil das Gefühl übermächtig wurde, das Phänomen des im Boden verschwindenden Körpers würde die Kräfte, die er freisetzte, restlos anziehen und verschlingen.
    Spontan lockerte er die Zügel um Firans Mutter, die in ihrem angestrengten Bemühen, dem Sohn zu Hilfe zu eilen, gerade noch ausgesehen hatte, als müßte sie gegen unsichtbaren Treibsand ankämpfen. Kaum aber hatte Anum seinen Willen vollends aus ihr zurückgezogen, stolperte sie auf Firan zu!
    Anum beobachtete, wie sie dem jetzt schon bis zum Nabel im Boden steckenden Vampir Halt verleihen wollte. Ihre Hände hatten sich in den kaum noch zu erkennenden Stoff seiner Kleidung gegraben und zerrten daran. Das gespenstische Leuchten und die gewittrigen Effekte schienen sie nicht abzuschrecken. Sie hatte den Kopf gehoben und brüllte Anum haßerfüllt entgegen: »Du gewissenloses Schwein! Hilf ihm! Mach, daß es aufhört!«
    Anum glaubte nicht, daß er persönlich von dem Vorgang etwas zu fürchten hatte. Dennoch blieb er vorsichtig. Auf die Anfeindungen der Frau erwiderte er nichts. Sie dauerten auch nicht an, weil der Junge bereits bis knapp unterhalb des Halses eingesunken war. Ein ungeschulter Betrachter hätte vielleicht den Eindruck gewinnen können, der Untote wehre die Hilfeleistung seiner leiblichen Mutter ab. Aber Kopf und Schulter ruckten nur deshalb hektisch hin und her, weil auch er versuchte, sich dem Untergang entgegenzustemmen. Er war gerade gestorben - er wollte es nicht schon wieder tun ...
    Einen Atemzug lang war Anum sogar versucht zu glauben, daß das neu gezeugte Kelchkind möglicherweise gar nicht im Boden versank, sondern sein Körper einfach nur immer weniger wurde.
    Firan blickte immer noch mit weit aufgerissenen Augen ins Nichts, statt mit einer Silbe zu verraten, was er fühlte, wie das Geschehen aus seiner Sicht ablief. Kinn, Mund und Nase tauchten soeben unter, und dort, wo die Schulterpartie verschwunden war, kam der abgewetzte Belag wieder zum Vorschein - völlig unbeschädigt.
    Neli Salahs Hände waren ebenfalls bis zu den Gelenken verschwunden. Sie schien ihren Sohn um keinen Preis loslassen zu wollen.
    Firans Haupt verschwand, und die Frau am Boden schrie: »Ich verliere ihn! Ich kann ihn nicht mehr fühlen!«
    Anum stand immer noch abwartend da. Neli Salah kniete weit vorgebeugt vor ihm. Wie abgeschnitten klebten ihre Ellbogen am Boden. Sie versuchte sich zu erheben, mußte aber erkennen, daß es unmöglich war, die Arme mit derselben Leichtigkeit wieder zurückzuziehen, mit der sie eingesunken waren. Daraufhin versteinerte sie regelrecht. Sie hob den Blick, und Anum las darin völlige Selbstaufgabe. Sie wußte, daß sie keine Schonung zu erwarten hatte und ihm auch ohne diese abstruse Fessel hilflos ausgeliefert gewesen wäre.
    »Wo ...«, flüsterte sie heiser, »... ist er hin?«
    Anum betrachtete den Boden des Zugs. Aber selbst wenn er eine Antwort gewußt hätte, wäre die junge Witwe die letzte gewesen, die sie erfahren hätte.
    Ich hätte mir den Versuch sparen können. Was in der CHRONIK stand, ist wahr - und auch von mir nicht mehr zu ändern: Der Kelch ist kein Born mehr für neue, treue Krieger. Er ist so taub geworden wie der Samen eines jeden seiner Kinder ...
    Fast behutsam griff er in das volle Haar der Knienden, die sich auch nicht wehrte, als er ihren Kopf langsam weit zurückbog, bis ihr Hals brach.
    Dann nahm er den Lilienkelch an sich und stieg unweit der Stadt Shush, wie das Susa von einst heute hieß, aus dem Zug.
    Einem Zug, der sich aus eigener Kraft nie wieder vom Fleck bewegen würde.
    *
    Vergangenheit
    11. September 1704, Rom
    Das Gerangel im Hafen war unbeschreiblich. Elisabeth Stifter beobachtete von ihrem Herbergszimmer aus. Nach der Ruhe und Abgeschiedenheit des Klosters, das sie vor einer Woche verlassen hatte, war dies eine ganz andere, gewalttätige Welt, in der für Schwache kein Platz war.
    Elisabeth hatte in Sichtweite der Kais Unterkunft bezogen, bis das Schiff, mit dem sie ihr Etappenziel, Alexandria, erreichen wollte, seinen Anker lichtete. Es gehörte zur Handelsflotte eines ortsansässigen, wohlhabenden Kaufmanns, der rege Geschäftsbeziehungen mit dem persischen Raum unterhielt. Elisabeth hatte ihm eine sehr beträchtliche Summe bieten und die Hälfte davon sofort hinterlegen müssen, ehe Francesco Pescara eingewilligt hatte, ihr die Passage zu ermöglichen. Er war

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