Die Reise zu den Elfeninseln
mich erfolgreich bis zur Reling durch. Doch bei dem Anblick, der sich da bietet, klappt mir der Unterkiefer herunter. Makri stürmt den Pier entlang. Sie hat ein Schwert in der einen, einen Seesack in der anderen Hand und etwa dreißig bis an die Zähne bewaffnete Schwertkämpfer am Hals. Zwar hat sie einen beträchtlichen Vorsprung, aber ihr geht der Platz aus. Ihre Verfolger haben sie bis ans Ende des Piers gejagt, und jetzt liegt nur noch das offene Wasser vor ihr. Selbst aus dieser Entfernung kann ich die Burschen erkennen. Der Mob besteht aus Mitgliedern der örtlichen Bruderschaft. Ich muss staunen. Kaum bin ich fünf Minuten weg, hat Makri schon eine Fehde mit der blutrünstigsten Bande des ganzen Viertels angezettelt.
Mittlerweile hat sie das Ende der Pier erreicht und wirbelt herum, um sich ihren Angreifern zu stellen. Noch in der Drehung zieht sie ihr zweites Schwert. Die beiden ersten Angreifer, die ihr zu nahe kommen, fallen unter ihren Schwerthieben, aber die anderen schwärmen aus und umringen sie. Dann rücken sie mit gezückten Waffen vor. Ich kann nur hilflos zusehen, während wir langsam davonsegeln. Die Elfen neben mir stoßen besorgte Rufe aus, als sie eine einzelne Frau gegen eine so mörderische Übermacht kämpfen sehen, aber wir sind zur Ohnmacht verdammt. Selbst wenn Lord Khurd das Schiff sofort wenden würde, würden wir zu spät dort eintreffen.
»Spring!«, schreie ich Makri zu.
Ich verstehe einfach nicht, warum sie nicht ins Wasser springt. Da böte sich ihr wenigstens eine kleine Chance zur Flucht. Stattdessen kämpft sie auf völlig aussichtslosem Posten. Auch wenn sie eine noch so überlegene Schwertkämpferin ist, gegen diese Überzahl gut bewaffneter Männer, die sie von allen Seiten bedrängen, kann sie nicht lange aushalten. Die Leichen türmen sich zwar bald vor ihren Füßen, aber jeden Augenblick muss eines der vielen Schwerter sein Ziel finden.
»Spring endlich ins Wasser!«, schreie ich erneut, aber wir sind jetzt mehr als achtzig Meter entfernt. Es ist unwahrscheinlich, dass meine Stimme den Kampflärm, das Rauschen der Wellen und das Kreischen der Möwen übertönt, die über dem Hafenbecken kreisen.
Schließlich wird Makri klar, dass sie es nicht vermeiden kann, sich nass zu machen, wenn sie überleben will. Sie dreht sich auf dem Absatz herum, rammt ihre Schwerter in die Scheiden, die überkreuz auf ihrem Rücken befestigt sind, und springt von der Pier in die Tiefe. Mittlerweile habe ich mit der Hilfe einiger junger Elfen bereits ein Boot zu Wasser gelassen. Sie kennen Makri zwar nicht, aber mit anzusehen, wie tapfer sie sich gegen eine solche Übermacht wehrte, hat ihren Gerechtigkeitssinn geweckt.
Das Boot klatscht mit einem mächtigen Platscher ins Wasser, und ich lasse mich an einem Seil hinab. Dabei halte ich nach der Stelle Ausschau, an der Makris Kopf aus den Wellen auftauchen müsste. Die Schläger auf der Pier verrenken sich ebenfalls die Hälse auf der Jagd nach ihrer Beute. Gerade als ich losrudere, landet jemand neben mir im Boot. Es ist Vases. Er verschwendet keine Luft an erklärende Worte, sondern schnappt sich das zweite Ruderpaar und legt los. Wir kämpfen gegen die Strömung an und rudern zum Eingang des Hafens zurück.
»Wo ist sie?« Meine Stimme klingt schrill vor Sorge.
»Anscheinend bringt sie sich unter Wasser vor ihnen in Sicherheit.«
Davon bin ich nicht überzeugt. Makri ist schon sehr lange unter Wasser. Wir haben fast die Stelle erreicht, wo sie eingetaucht ist, aber immer noch ist nichts von ihr zu sehen. Vielleicht ist sie bei dem Kampf ja verwundet worden und kann nicht mehr schwimmen. Vielleicht ertrinkt sie sogar gerade in diesem Moment!
»Mist, verdammter!«, knurre ich, stehe auf und starre auf die Wellen. Nicht die geringste Spur von Makri. Plötzlich sehe ich etwas. Eine dunkle Masse treibt wie ein Algenteppich direkt unter der Wasseroberfläche. Makris Haar! Dann taucht Makris Kopf kurz auf, knapp zwanzig Meter von unserem Boot entfernt. Doch noch bevor ich sie auffordern kann, zu uns zu schwimmen, geht sie wieder unter. Und diesmal sieht es so aus, als würde sie nicht mehr auftauchen.
Ohne zu zögern reiße ich mir meinen Umhang herunter und stürze mich ins Meer. Ich war immer schon ein ganz passabler Schwimmer und brauche nicht lange bis zu der Stelle, wo ich Makri eben noch gesehen habe. Ich tauche unter. Das Wasser ist kalt und trübe, und die Sicht reicht kaum ein paar Meter weit. Ich sinke tiefer und tiefer und
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