Die Reise zu den Elfeninseln
Gefängnis zu holen. Sie wird beschuldigt, einen Baum tätlich angegriffen zu haben.«
»Sie hat einen Baum angegriffen? Und deswegen wirft man sie ins Gefängnis? Die Elfen scheinen ihre Flora aber wirklich zu lieben.«
»Es war ein besonderer Baum. Ihr Hesuni-Baum, um genau zu sein. Ich nehme an, dass du alles über Hesuni-Bäume auf der Innungshochschule gelernt hast.«
»Sie sind das Herz und die Seele des Stammes«, sagt Makri.
»Genau. Ich kenne zwar noch nicht alle Einzelheiten, aber Vases’ Tochter steckt ernsthaft in Schwierigkeiten. Also sei so nett und sabotiere meine Arbeit nicht. Vases ist ein alter Freund, und ich möchte ihm gern helfen. Und ich kann es mir nicht leisten, vor Vizekonsul Zitzerius und Prinz Dös-Lackal schlecht dazustehen.«
»Ist das der boahsüchtige Prinz oder der nüchterne, verantwortungsbewusste?«
»Der nüchterne und verantwortungsbewusste. Na ja, so nüchtern und verantwortungsbewusst, wie turanianische Prinzen halt so sind.«
»Du meinst, er ist ein Wüstling?«
»Er ist nicht so schlimm wie sein älterer Bruder. Und beleidige die Königliche Familie nicht.«
Meine gute Laune ist wie weggeblasen. Ich merke schon, dass dies hier eine verdammt lange Seereise wird.
»Ich nehme an, dass du nicht an Land darfst, wenn wir Avula erreichen, aber wenn man es dir wunderbarerweise doch gestattet, dann erwähne um Himmels willen deine … die … diese … du-weißt-schon-was-ich-meine nicht. Du würdest die Elfen in Panik versetzen.«
4. KAPITEL
Am zweiten Tag der Reise schafft es Vases-al-Gipt, sich so lange von seinen Pflichten loszueisen, dass er mich in die Einzelheiten des Falles einweihen kann.
»Der Ankläger meiner Tochter ist Lasses-al-Floros, der Haupt-Schützer des Baumes. Er ist der Bruder von Gulag-al-Floros, dem Hohen-Baum-Priester. Laut Lasses’ Aussage hat er sie dabei erwischt, wie sie mit einer Axt auf den Baum eingeschlagen hat, nachdem sie vorher versuchte, ihn zu verbrennen.«
»Was sagt deine Tochter zu dem Vorfall?«
»Sie kann sich nicht daran erinnern.«
Ich hebe ausdrucksvoll meine buschigen Brauen. Ich erwarte zwar schon lange nicht mehr, dass meine Klienten tatsächlich unschuldig sind, aber zumindest möchte ich, bitte schön, eine gute Ausrede hören. »Sie kann sich an gar nichts erinnern?«
»Nein. Aber sie streitet nicht ab, dass sie da gewesen ist. Bedauerlicherweise scheint ihre Erinnerung an die Vorfälle vollkommen ausgelöscht zu sein. Von dem Moment an, als sie unser Haus verlassen hat, bis zu dem Augenblick, in dem sie in Verwahrung genommen wurde, klafft bei ihr eine Gedächtnislücke.«
»Dir ist ja wohl klar, dass das vor Gericht nicht besonders gut aussieht, Vases? Erinnert sie sich nicht einmal mehr daran, warum sie zu dem Baum gegangen ist?«
Vases schüttelt den Kopf. Ich frage ihn, ob er ihr glaubt, und er erklärt mir sehr nachdrücklich, dass er es tut.
»Mir ist bewusst, dass es schlecht für sie aussieht. Sie hat keinen Verteidiger, der sie bei dem Verhör vor dem Ältestenrat vertreten will. Aber ich kann nicht glauben, dass meine Tochter ein solch ungeheuerliches Sakrileg begehen würde. Eine Elfe wie sie kannst du auf der ganzen Insel suchen. Es widerspricht vollkommen ihrem Charakter, und außerdem hätte sie auch keinen Grund dafür gehabt.«
Außer seinem innigen Wunsch, seine Tochter von dem Verdacht reinzuwaschen, erfahre ich von Vases-al-Gipt nicht annähernd genug über den Fall. Er hat keine Ahnung, was Elith bei dem Baum gewollt hat, weiß nicht, ob sie ihn vorher schon einmal besucht hat, und auch nicht, wer sonst ein Interesse haben könnte, ihn zu zerstören.
»Glaubst du, dass jemand ihr Gedächtnis durch Zauberei beeinflusst hat? Hat das jemand untersucht?«
»Ja. Der Fall ist von Lord Khurds Höflingen untersucht worden. Unter ihnen befindet sich auch Abra-al-Kabra, sein Hexenmeister. Soweit ich weiß, hat er keine Spuren von Zauberei am Tatort feststellen können, obwohl das ohnehin sehr schwierig wäre. Der Hesuni-Baum erzeugt ein mächtiges magisches Feld um sich, das jede Zauberei beeinflusst. Es ist ganz unmöglich, in der Zeit zurückzuschauen, um herauszufinden, was dort passiert ist.«
Ich nicke. Mir ist längst klar, dass man bei Ermittlungen mit Zauberei selten weit kommt. Seltsamerweise. Die Vorstellung, dass ein Zauberer einen kurzen Blick auf die Ereignisse wirft, Spuren analysiert und eine wasserdichte Erklärung liefert, ist zwar theoretisch ganz schön, und manchmal
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