Die Reisen des Paulus
diesen befanden sich solche, die »auf des Johannes Taufe« getauft waren. Paulus erweiterte ihr Wissen und erklärte, des Johannes Taufe sei Zeichen der Buße gewesen, aber Jesu Taufe sei die Taufe des heiligen Geistes. Er führte sie zum Kaystros, jenem Fluß, der Ephesus als Han-delsort bedeutend machte (er mündete nur sechs Kilometer weiter in die Ägäis), und taufte sie. »Und da Paulus die Hände auf sie legte, kam der heilige Geist auf sie, und sie redeten in Zungen und weissagten.«
Wir sagten bereits, Ephesus sei ein Zentrum der Ge-
heimwissenschaften gewesen, und tatsächlich nannte man es »Heimat der Magie«. Dies Zungenreden mit wilden und wirren Worten und dies Prophezeien war nicht nur Sache der Christen. Auch die Anhänger des Dionysos oder der Isis und der Kybele neigten unter Wein- oder Drogenein-fluß zur Glossolalie. Es wäre absurd, John M. Allegro ( The Sacred Mushroom and the Cross )zu folgen und das Christentum als antiken Drogenkult zu betrachten, dessen Inhalte sich aus der Wirkungsweise des Pilzes Amanita muscaria (Fliegenpilz) ableiten lassen. Doch wäre es ebenso absurd vorzugeben, das Christentum sei völlig unberührt von den Kulten und Mysterienreligionen der Antike entstanden und gewachsen. Paulus wurde wie jeder Mensch von seiner Umgebung beeinflußt.
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Drei Monate lehrte er in der Synagoge. Doch wie üblich verhielten sich die meisten Juden dieser neuartigen und widerwärtigen Lehre gegenüber feindselig. Und so zog er mit einer kleinen Gruppe von Gläubigen auf Einladung eines Schulmeisters, der den schönen Namen Tyrannus führte, in dessen Schule um und lehrte dort weiter, vermutlich am Abend, nach Ende der regulären Unterrichtszeit. Natürlich entstanden in einer Stadt wie Ephesus bald Gerüchte über diesen Mann. Er predige eine seltsame, mystische Lehre, und er verfüge über übernatürliche Kräfte. In Ephesus wimmelte es von weisen Männern, Zauberern, Hexen, Astrologen und anderen Leuten, die Zukunft und Schicksal voraus-sagen konnten: Sie lasen beides aus den Eingeweiden von Tieren, aus der Hand, aus dem Knöchelspiel heraus. Paulus, hieß es, sei ein mächtiger Zauberer, und man wußte wohl, daß alles, was mit einem Zauberer zu tun hatte, voll zauberischer Kraft war. Auf das, was der so geheimnisvoll Begabte am Leib getragen oder berührt hatte, ging die Kraft unmittelbar über. Und deshalb waren »Schweißtüchlein« und auch Schürzen, die sich Paulus beim Zeltmachen umband, sehr begehrt. Man behauptete, durch diese Gegenstände seien wahre Wunder gewirkt worden. Das Entscheidende ist hier, wie immer, der Glaube. Erst in den letzten Jahren wurde die Wirkung des Geistes auf die Materie wissenschaftlich erforscht. Es gilt als gesichert, daß manche Menschen zum Beispiel die Fähigkeit besitzen, das Fallen eines Würfels zu beeinflussen oder einen Satz zugedeckter Karten zu lesen, und dies in einer Weise, die die Zufallswahrschein-lichkeit signifikant überschreitet. Bei den »Wundern«, die Paulus im Laufe seines Lebens vollbrachte, ist es stets be-302
merkenswert, daß die Menschen, denen sie geschahen, ins-geheim an Paulus glaubten. Der Glaube ist die Voraussetzung. Erst durch ihn kommen die Dinge in Gang.
Neben Paulus gab es viele andere, denen man, ob Schar-latane oder nicht, magische Kräfte nachsagte. Die Fähigkeit, Krankheiten zu heilen oder, in der Sprache der damaligen Zeit, »böse Geister auszutreiben«, wurde von einer Reihe von Juden beansprucht, darunter auch von sieben Männern, die in der Apostelgeschichte als »Söhne eines jüdischen Hohenpriesters Skevas« bezeichnet werden. Allerdings dürfte Skevas kaum mehr als ein normaler Rabbiner gewesen sein.
Er und seine Söhne gehörten offensichtlich zu der Schar von umherwandernden Mystikern, die von einer Stadt zur anderen zogen (wie die Quacksalber späterer Jahrhunderte) und ihre Zaubertränke oder Zaubersprüche austeilten – letztere in aramäischer Sprache auf Papyrus geschrieben, was den Römern und den Griechen und den Einheimischen wohl
sonderbar und auf geheimnisvolle Weise wundermächtig erscheinen mußte. Als sie von Paulus und dem Menschen oder Gott hörten, der ihnen unbekannt war, aber angeblich vieles bewirkte, vom »Herrn Jesus«, verwandten sie das, was ihnen als Zauberspruch vorkam, zur Heilung eines Mannes, der von bösen Geistern besessen war. »(Sie) sprachen: Ich beschwöre euch bei dem Jesus, den Paulus predigt.« Die bösen Geister sollten also ausfahren, aber der
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