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Die Reisen des Paulus

Die Reisen des Paulus

Titel: Die Reisen des Paulus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernle Bradford
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Mann erwiderte: »Jesus kenne ich wohl, und von Paulus weiß ich wohl; wer seid ihr aber?« Und damit stürzte er sich auf die sieben, riß ihnen die Kleider vom Leib und jagte sie aus seinem Haus. Die Geschichte müßte logischerweise eigentlich damit schließen, daß Paulus gekommen wäre und den 303
    Mann geheilt hätte, doch davon steht nichts in der Apostelgeschichte. Und wenn dergleichen geschehen wäre, so hätte es der Chronist sicher aufgezeichnet. Wieder der springende Punkt: Der Kranke glaubte nicht an diese sogenannten Heilkünstler und vertraute ihnen nicht.
    Viele Juden und Nichtjuden, die von diesem Ereignis hörten – und es dürfte sich in Ephesus blitzschnell herumgesprochen haben –, waren nunmehr davon überzeugt, daß der Gott, von dem Paulus sprach, tatsächlich der wahre und wahrhaftige Heiland sei. In einem geistigen Klima, wo sich Attis, Osiris, Artemis und Isis kunterbunt miteinander ver-mischten, wo Männer und Frauen an so viele Mythen und Mystizismen glaubten, war auch Paulus’ Version vom wiederauferstandenen Gottmenschen annehmbar – nicht eben erstaunlich. In der Apostelgeschichte heißt es: »Und es fiel eine Furcht über sie alle, und der Name des Herrn Jesus ward hochgelobt … Viele aber, die da Zauberei getrieben hatten, brachten die Bücher zusammen und verbrannten sie öffentlich.« Es ist ein Zeugnis für die außerordentliche Kraft von Paulus’ Persönlichkeit, daß die Zauberbücher, die jetzt zu Ephesus in Flammen aufgingen, »fünfzigtau-send Silbergroschen«, also Tausende von Mark, wert gewesen sein sollen. Diese Ereignisse, die an die Auswirkungen von Savonarolas Predigten im Florenz des 15. Jahrhunderts erinnern, dürften der Mehrheit der Bevölkerung kaum gefallen haben – ganz zu schweigen von denen, die am Kult der Göttin ein rechtmäßiges Interesse hatten. Und so kam es schließlich zum berühmten Aufruhr des Demetrius.
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    Dieser Aufruhr war zu erwarten. Der Erfolg von Pau-
    lus’ Arbeit erweist sich daraus, daß viele Menschen von der Großen Göttin abfielen. Da dieser Kult seit undenklichen Zeiten bestand und da Artemis/Isis alle Strebungen und Sehnsüchte des Menschen zu verkörpern und zu stil-len schien, muß man sich fragen, was Paulus und seine Mitarbeiter, etwa Aquila und Priscilla, zu geben hatten. Was fehlte der Großen Göttin? Es gibt eine Antwort darauf. Nicht ohne Grund ist der gewaltige Tempel von Ephesus verfallen.
    Die Göttin war der gesamte Kosmos, aber sie hatte den Menschen keine andere Hoffnung zu bieten, als daß sie das Leben auf Erden erneuerte. Paulus predigte eine Lehre, die, abgesehen vom Glauben an das unmittelbar nahe Weltende, heute noch Bestand hat. Er lehrte, daß Redlichkeit und Güte (damit meinte er die jüdisch-mosaische Idee vom rechten Verhalten dem Nächsten gegenüber, die die Liebe zum Schöpfer ergänz-te) sehr wichtig sind im menschlichen Leben. Wichtiger aber war die Liebe. Wenn man das begriffen hat, versteht man, warum seine Lehre die römische Welt veränderte. »Wachet, ste-het im Glauben, seid männlich und seid stark!« In diesen Worten klingt vielleicht der Mithraismus an, aber schon der nächste Satz bringt das einzigartige: »Alle eure Dinge lasset in der Liebe geschehen!« Diese Botschaft, die weder in den Mysterienreligionen noch im Kult der Diana von Ephesus enthalten ist, war der Sauerteig der Paulinischen Lehre.
    Der Aufruhr wurde entfacht von einem Goldschmied
    namens Demetrius, »der machte silberne Tempel der Dia-305
    na«. Er war wohl Vorstand der einschlägigen Gilde, denn es heißt, er habe alle Männer dieses Handwerks zu einer Versammlung einberufen. Demetrius und seine Kollegen be-schwerten sich darüber, daß Paulus mit seiner Lehre die Menschen der Artemis abspenstig machte. Wie in jedem Touristengebiet auf dieser Erde lebten die Goldschmiede zum größten Teil von Souvenirs. Tausende kamen Jahr für Jahr nach Ephesus, um den großen Tempel zu besichtigen, und Tausende nahmen Nachbildungen des Tempels und
    der Statue der Göttin mit. Hören wir Demetrius: »Liebe Männer, ihr wisset, daß wir großen Gewinn von diesem Gewerbe haben; und ihr sehet und höret, daß nicht allein zu Ephesus, sondern auch fast in der ganzen Landschaft Asien dieser Paulus viel Volks abfällig macht, überredet und spricht: Was von Händen gemacht ist, das sind keine Götter. Aber es droht nicht nur unser Gewerbe dahin zu geraten, daß es nichts

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