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Die Reisen des Paulus

Die Reisen des Paulus

Titel: Die Reisen des Paulus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernle Bradford
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erlebte, wurden durch ein ostwärts ziehendes Tief, das Südkreta passierte, verursacht. Dem Tief vorausgehende Südwinde dürften nach Ost oder Nordost beigedreht haben, wodurch in der Ägäis eine starke, von Norden kommende Strömung entstand, deren Geschwindigkeit durch Winde, die durch die Bergschluchten von Kreta und den Kanal von Kythera brausten, noch erhöht worden sein kann. Anhaltend starke Winde zwischen Ost und Nord sind in diesem Gebiet nach dem Durchzug eines Tiefs üblich. Und so kann das Schiff durchaus von Kreta nach West-südwest ins offene Meer hinausgetrieben sein – ähnlich, wie es Jahrhunderte zuvor bei Odysseus der Fall war.«
    Die Stelle, wo das Schiff der Tradition nach strande-te, heißt heute noch Saint Paul’s Bay, St. Paulsbucht. Es ist für gewöhnlich unklug, eine solche Tradition in Frage zu stellen. Worte, die von einer Generation auf die andere von einfachen Leuten übermittelt wurden, die wenig oder gar nichts von Büchern wissen, sind oft völlig zutreffend. So fand Schliemann Troja nur dadurch, daß er sich an Homer und an den örtlichen Sagenschatz hielt – und er fand es genau an der Stelle, wo es die Tradition lokali-sierte. Diskussionen über den Ort von Paulus’ Schiffbruch können nur durch die an sich ganz klaren Worte von Lukas aufkommen: die fragliche Stelle läge »zwischen zwei Meeren« ( topon diathalasson ) . Die Insel Selmunetta an der Einfahrt zur Paulsbucht (auf ihr wurde eine Statue von Paulus aufgestellt) liegt nicht »zwischen zwei Meeren«. Es gibt wenig solche Punkte im Mittelmeer. Da haben wir den Bo-sporus zwischen Schwarzem Meer und Marmarameer, die Straße von Gibraltar, die Straße von Messina zwischen Io-343
    nischem und Tyrrhenischem Meer und die Straße von Bo-nifacio zwischen Korsika und Sardinien. Der kleine maltesische Archipel hat nur einen Punkt »zwischen zwei Meeren«
    – den Kanal zwischen Malta und der nördlich gelegenen Nachbarinsel Gozo, zwischen östlichem und westlichem Mittelmeer. Homer nannte Malta den »Nabel des Meeres«, und das trifft auch zu, denn Malta liegt fast gleich weit entfernt von Zypern im Osten und Gibraltar im Westen sowie etwa auf halber Strecke zwischen Italien und Nordafrika.
    Man könnte sich vielleicht für den am weitesten nordöstlich gelegenen Punkt von Malta entscheiden, für L’-Ahrax (wild, grausam, rauh und uneben), denn er befindet sich tatsächlich »zwischen zwei Meeren«. Doch die genaue Lokalisierung ist nicht übermäßig wichtig. Die einen Gelehrten haben behauptet, es sei hier gewesen, die andern, es sei dort gewesen. Letzten Endes ist es wohl besser, sich an die Tradition zu halten. Bei neueren archäologischen Grabungen hat man das Landgut eines bedeutenden römischen Beamten (vielleicht war es jener Publius, der »Oberste der Insel«?) entdeckt, und zwar genau an dem Platz, der seit langer Zeit San Pawl Milqghi genannt wird, »Willkommen, St. Paulus«.
    Das ist nicht allzuweit entfernt vom traditionellen Ort des Schiffbruchs. Am selben Platz wie die Villa stand offenbar eine sehr alte christliche Kirche. Außerdem scheinen Graffi-ti, die einen bärtigen Mann darstellen – darunter in griechischen Buchstaben den Namen Paulus –, und eine Szene, die einen Schiffbruch abbildet, zu bestätigen, was die Malteser schon seit langem glauben.
    Als das Schiff in jener dunklen Novembernacht auf die Felsen zutrieb, warfen die Seeleute »hinten vom Schiff vier 344
    Anker und wünschten, daß es Tag würde«. So mancher hat es merkwürdig gefunden, daß die Anker vom Heck ausgeworfen wurden. Kein Grund zur Verwirrung. Denn die
    Schiffe jener Zeit führten stets an Bug und Heck mehrere Anker mit sich, gewöhnlich mit Ankerstöcken aus Holz und Ankerhänden aus Eisen oder Blei. In einigen Häfen legten die Schiffe mit dem Bug voraus an, was Heckanker erforderlich machte. Heute liegen Segelschiffe im Mittelmeer üblicherweise mit dem Heck zur Mole, d.h., man wirft einen oder mehrere Buganker aus und läßt sich in Richtung Kai oder Mole zurücktreiben. Die modernen Segeljachten und kleinen Frachtschiffe haben fast alle Motoren, und so ist dies Manöver nicht allzu schwierig. Zu der Zeit, da Paulus übers Mittelmeer fuhr, mußten die Schiffe vom Bug und vom Heck Anker auswerfen können. Jedenfalls fing es der Kapitän von Paulus’ Schiff sehr praktisch an. Er ließ sich von einem starken Wind und einer nachfolgenden Strö-
    mung auf die Felsen dieser unbekannten Küste zutreiben.
    Hätte er die Buganker

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