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Die Reisen Des Paulus

Die Reisen Des Paulus

Titel: Die Reisen Des Paulus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernle Bradford
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Anhängern des neuen Glaubens verraten konnte. Jedenfalls blieb er drei Jahre lang verschwunden, und in dieser Zeit wurden sie nicht verfolgt. Vermutlich waren’s die Oberen in Jerusalem jetzt zufrieden, vermutlich hatten sie eingesehen, daß die Christen keine Gefahr für das orthodoxe Judentum darstellten.
    Und plötzlich war dieser Mann wieder da. Abermals
    kam er in die Synagogen, abermals predigte er vom auferstandenen Messias. »Er ist der Sohn Gottes«, sagte er. Zur Verwunderung der Christen und der orthodoxen Juden verkündete er mit felsenfester Gewißheit, Christus sei der Gesalbte des Herrn, der vorherbestimmte und langerwartete Messias. Paulus war schon in jungen Jahren diskussionsgewandt und rhetorisch hochbegabt gewesen, und diese Fähigkeiten, die er früher verwendet hatte, um die Ideen des jungen Sprosses des Judentums verächtlich zu machen, setzte er jetzt für die neue Sekte ein. »Saulus aber gewann immer mehr an Kraft und trieb die Juden in die Enge, die zu Damaskus wohnten, und bewies, daß dieser ist der Christus.«
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    Es nimmt nicht wunder, daß seine Rückkehr nicht lediglich kommentiert wurde, und es nimmt noch weniger wunder, daß viele von den Ältesten, die ihm im Wortgefecht unterlagen, erbost waren. Die Juden liebten das Streitgespräch, liebten Haarspaltereien um die Feinheiten des Gesetzes.
    Zudem war ihr Temperament äußerst lebhaft, leidenschaftlich und feurig – das hatten die Römer zu ihrem Leidwe-sen an sich selbst erfahren müssen. Und dieser Mensch, der sein Mäntelchen nach dem Wind hängte, dieser Abtrünnige, den der Sanhedrin zur Ausrottung der kleinen Splitter-sekte und zum Ausgleichen etwaiger Unregelmäßigkeiten in den Synagogen außer Landes geschickt hatte, kam so unor-thodox zurück, wie man es kaum je erlebt hatte. Was, müssen sie sich gefragt haben, was tat er in all den Jahren, da er verschwunden war? Gewiß – er hatte gründlich die Propheten studiert, konnte er doch aus allen möglichen Schriften Verse und ganze Kapitel zitieren, um zu beweisen, daß dieser obskure gekreuzigte Galiläer in der Tat der von Gott Verheißene war, der Messias, der das neue Königreich Israel begründen sollte. Doch was hatte er denn geleistet, der sogenannte Messias? Israel war immer noch geknechtet. Die römischen Legionäre stolzierten immer noch durch die Straßen der Heiligen Stadt. Und sie, die Juden, zahlten immer noch Steuern an den teuflischen Kaiser – mit Münzen, in die sein Kopf geprägt war. Paulus zu lauschen – das reichte, um jeden rechtgläubigen Juden mit aberwitzigem Zorn zu erfüllen. Weg mit ihm! Fort mit diesem Mann! Sie verschworen sich gegen ihn, wollten ihn umbringen, wenn auch nicht unbedingt mit eigener Hand, denn das Gebot
    »Du sollst nicht töten« konnten sie nicht einfach beisei-132
    te schieben, aber immerhin waren jederzeit und ohne weiteres gedungene Mörder verfügbar. Doch da Paulus in den Augen der Juden ein Feind des mosaischen Gesetzes war, ist es möglich, daß sie sich auch bereit gefunden hätten, ihn selbst aus dem Weg zu räumen. »Sie bewachten aber Tag und Nacht die Tore, daß sie ihn töteten.« Durch die Stadt-tore konnte er also nicht fliehen. Außerdem hielten hier die Soldaten des Statthalters Wache. Damaskus lag im Herr-schaftsbereich von Aretas, dem König von Arabien. Einem Abkommen mit den Römern gemäß war er für Gesetz und
    Ordnung in der Stadt verantwortlich. Es kann kaum Zweifel geben, daß die weltliche Obrigkeit sich heimlich mit den jüdischen Ältesten abgesprochen hatte. Dem Statthalter war daran gelegen, Ruhe und Frieden in Damaskus zu bewahren. Und da dieser Mensch, dieser Jude Paulus, Ärger machte, war er ebenso wie die Ältesten darauf bedacht, daß das ein Ende nahm.
    Paulus’ offensichtliche Lauterkeit hatte einige Mitglieder der Christensekte überzeugt. Sie wußten jetzt, daß er zu ihnen gehörte und ihren Glauben vollständig angenommen hatte. Als sie von der Verschwörung erfuhren, versteck-ten sie ihn in einem der alten Häuser, die in die Stadtmauer gebaut waren und deren Fenster sich nach draußen hin öffneten – zur Freiheit. Doch zum Springen war es zu hoch, außerdem würde eine von den Wachen, die an der Umwallung entlangpatrouillierten, ihn sicher entdecken. Die Flucht mußte bei Dunkelheit stattfinden, möglichst in einer mondlosen Nacht, denn die Luft war derart klar, daß der Mond die Stadt und ihre Umgebung fast so hell erleuchte-te, als sei es Tag. Doch man fand einen Ausweg

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