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Die Reisen Des Paulus

Die Reisen Des Paulus

Titel: Die Reisen Des Paulus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernle Bradford
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wahrscheinlich alle Aphroditen der damaligen Zeit, in Frauengewänder gekleidet. Kein rituelles Gemetzel verdunkelte den Kult der Liebes- und Fruchtbarkeitsgöttin – aber es floß das Blut von Deflorationen. Denn hier wie an vielen Orten der Ve-nusverehrung war es üblich, daß junge Frauen sich vor der Heirat im Tempelbezirk Fremden hingaben. (Ein ähnlicher Brauch existierte in manchen Teilen Altägyptens. Die Theorie dahinter scheint die gewesen zu sein, daß der De-florationsschmerz nicht mit dem Gatten, sondern mit einem Fremden assoziiert werden sollte.) In Paphos betrachtete man die Tempelprostitution als heiligen Tribut an das göttliche Fruchtbarkeitsprinzip. Das Geld, das aus dieser Quelle stammte, diente zur Erhaltung der Kultstätte.
    Neben zukünftigen Bräuten wimmelte es im heiligen Bezirk von offiziellen Prostituierten, den Mägden der Göttin, die wie im Daphne-Hain einen Teil ihrer Einkünfte an die Tempelkasse abführten. Da Paphos ein belebter Hafen war und Aphrodite als Schutzpatronin der Seeleute galt, wur-175
    den die Kunden nie knapp. Flotte Geschäfte machte man auch mit silbernen Amuletten – Miniatur-Aphroditen, die Glück bringen und die Matrosen vor Schiffbruch und Er-trinken bewahren sollten. Auf ähnliche Weise werden bis zum heutigen Tage in manchen sizilianischen und italienischen Häfen (auch auf Capri) zu Phalli zurechtgeschnitzte Korallen als Talismane verkauft. Kaum jemand, der sie er-wirbt, hat einen Begriff davon, wie uralt der Kult ist, dem sie Ausdruck verleihen. Selbst wenn die drei Missionare die Höhe mit dem schimmernden Tempel, von heiligen Tauben umflogen und von Weihrauch umwölkt, mieden wie die Pest, kann ihnen nicht entgangen sein, daß der Kult im Hafen allgegenwärtig war. Die Matrosen trugen Venus-Amulette, und am Kai standen die Prostituierten und warteten auf einlaufende Schiffe. Während die Missionsreisenden in Paphos weilten, erreichte sie ein unerwarteter Ruf. Der Prokonsul Sergius Paulus wollte die Besucher sehen, die, wie er gehört hatte, eine neue Religion verkündeten. Also war er wohl neugierig, begierig auf ein Zeichen, begierig zu erpro-ben, ob sich diese Juden an Klugheit und Kraft mit seinem Zauberer Bar-Jesus messen konnten. Sie nahmen bereitwillig an – der Ruf war immerhin einem kaiserlichen Befehl gleichwertig – und begaben sich zum Palast, der sich auf einem Hügel über der Stadt erhob. Die Auseinandersetzung, die sich dann entspann, ist etwas ausführlicher in der Apostelgeschichte aufgezeichnet, bildete sie doch den Höhepunkt der Zypernreise.
    Bar-Jesus hieß auf Griechisch Elymas oder »Zauberer«.
    Aus dem, was wir bereits gehört haben, können wir schlie-
    ßen, daß er typisch für seine Zeit war. Wahrscheinlich wußte 176
    er einigermaßen geschickt die Sterne zu deuten, wahrscheinlich beherrschte er magische Kunststücke und Zauber-
    tricks. Vielleicht gehörte er zum Hofstaat und verschaffte sich ein einträgliches Auskommen, indem er an Ortsansässige, die auf offizielle Informationen oder auf Begünstigun-gen brannten, kleine Tips und Winke verkaufte. Sicher war er höchst unzufrieden, als er sehen mußte, daß Sergius Paulus aufmerksam, anscheinend auch noch anerkennend, auf all das lauschte, was ihm der bärtige, von Wind und Wetter gegerbte Jude erzählte. An dieser Stelle verdient es festgehalten zu werden, daß Paulus – nicht Barnabas und nicht Johannes Markus – dazu ausersehen wurde, diesem maßgeblichen römischen Beamten die frohe Botschaft vom Messias nahezubringen. Die andern standen dabei, bereit, mit Hin-weisen auf Verse und Kapitel aus der Schrift einzuspringen oder weitere Beweise für Christi Leben und Auferstehung zu liefern. Doch sie wurden nicht gebraucht.
    Bar-Jesus ließ das Ganze über sich ergehen, solange er es ertragen konnte. Doch dann meldete auch er sich zu Wort.
    Vielleicht bangte er um seine lukrative Stellung als Freund und Ratgeber des Prokonsuls. »Da widerstand ihnen Elymas … und trachtete, daß er den Landvogt vom Glauben abwendete.« Paulus machte aus seinem Herzen keine Mör-dergrube – er hatte immer eine niedrige Toleranzschwelle. Da stand dieser Renegat, dieser Entwurzelte, der nicht einmal praktizierender orthodoxer Jude war wie die vielen, mit denen er Streitgespräche geführt hatte. Da stand er, ein Lügner und Schurke, der es wagte, wider die Wahrheit Gottes und des Heilands zu sprechen. Paulus war au-
    ßer sich. Er blickte Bar-Jesus geradewegs in die Augen und 177
    sagte:

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