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Die Reisen Des Paulus

Die Reisen Des Paulus

Titel: Die Reisen Des Paulus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernle Bradford
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Stephanus, und beide taten es ihrem Heiland nach und erduldeten Schmerzen für ihren Glauben. Die Standhaftigkeit des Menschen grenzt manch-239
    mal ans Unfaßliche, was uns auch Aufzeichnungen aus den Kriegen unseres Jahrhunderts beweisen. Man mag eine noch so materialistische Gesinnung haben – wenn man sich die Mühe macht, gründlich die Geschichte zu studieren, wird man feststellen, daß Männer und Frauen fast unerträgliche Qualen und Entbehrungen um eines Glaubens willen auf sich genommen haben. Das Tier, das nicht aus seinen ein-facheren Reaktionen auf die Umwelt ausbrechen kann, gibt schneller nach und stirbt gewiß nicht für etwas Abstraktes. Wer (wie Dr. Morris in Der nackte Affe ) den Menschen mit seinen biologischen Vorfahren gleichsetzt, begeht einen Fehler. Es handelt sich nicht um quantitative, sondern um qualitative Unterschiede. Blutüberströmt und halb bewußtlos wurden Paulus und Silas vom Forum geschleift und ins Gefängnis geworfen.
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    Paulus und Silas kamen ins »innerste Gefängnis«. Ihre Füße wurden in den Stock gelegt. Die anderen Gefangenen hatten beobachtet, wie man sie vorwärtsstieß –
    ganz klar, die Liktoren hatten sie ausgepeitscht! Nun, es gab Schlimmeres. Eine Zeitlang lagen Paulus und Silas und empfanden nichts als Schmerz, spürten nur ihren zer-schundenen Rücken. Sie waren noch zu schwach, um Einspruch zu erheben, auf ihr römisches Bürgerrecht hinzu-weisen und auf das Unrecht, das sie erlitten hatten. Doch nach einer Weile lebten sie wieder auf. Sie wehrten sich, so gut sie es vermochten – aber es war mehr als das. »Um die Mitternacht aber beteten Paulus und Silas und lobten Gott.
    Und es hörten sie die Gefangenen.« Man kann sich vorstellen, was die Gefangenen dazu sagten – ein stadtbekannter Trunkenbold etwa, dem der Schädel brummte und der sie anraunzte, sie sollten gefälligst den Mund halten, denn bei dem Lärm könne kein Mensch schlafen. Und dann geschah es. Philippi lag wie ein großer Teil dieser Gegend in einem Erdbebengebiet, und mindestens drei Monate im Jahr muß man hier jeden Augenblick mit Erdbeben rechnen. In dem solid gebauten Gefängnis wird man die ersten leichten Stö-
    ße wohl gar nicht gemerkt haben. Aber die Tiere, Hun-de, Katzen und Vögel vor allem, spürten das herannahende Erdbeben, und drückendes, drohendes Schweigen senkte sich über Philippi herab. Dann das unverkennbare dumpfe Grollen, und die Erdbebenwelle traf die Stadt. Im Abstand von ein bis zwei Sekunden erzitterte der Boden. Die Zel-241
    le wankte, das ganze Gefängnis wankte, der Riegel vor der Tür flog auf. Die im äußeren Gefängnis lagen – vermutlich alle an eine Kette gefesselt, die in die Wand eingelassen war
    – sahen verdutzt, daß die Schließhaken sich von der gro-
    ßen Kette gelöst hatten. Sie waren frei! Die Einlaßtür drehte sich kreischend in den Angeln, Nachtluft strich herein. Der Kerkermeister fuhr aus tiefem Schlaf hoch und sah, daß alle Türen offenstanden. Er kannte die römischen Gesetze –
    wenn ihm ein Gefangener entwich, war er des Todes schuldig. Erst vermutete er, es sei zu einem Massenausbruch gekommen. Er wußte nicht, was ihn geweckt hatte. Vielleicht der Lärm, als die Gefangenen die Türen aufbrachen, flohen.
    Doch sie waren zu verwirrt und erschreckt, um den Sprung in die Freiheit zu wagen. Flach lagen sie auf dem Boden.
    Der Kerkermeister zog sein Schwert und schrie, er werde sich töten. Paulus griff ein. So laut er konnte, rief er: »Tu dir nichts Übles; denn wir sind alle hier!«
    Befremdet steckte der Kerkermeister sein Schwert in die Scheide, rief nach einem Sklaven, sagte, er solle ein Licht bringen, eilte ins Gefängnis und »fiel Paulus und Silas zu Füßen«. Erdbeben sind entsetzlich; sie gemahnen daran, daß es Naturgewalten gibt, die der Mensch nicht in der Hand hat – und damals waren sie noch etwas Mysteriöses und Gegenstand des Aberglaubens. Man kannte Poseidon, den Gott des Meeres, auch als »Erderschütterer«. Sein Palast war nicht allzuweit von Mazedonien entfernt, er lag tief drunten im Meer bei Ägä in Euböa. Wenn er ausritt – wie jetzt eben –, schlug er manchmal mit seinem Dreizack gegen Felsen oder ließ zum Beweis seiner Macht die Erde beben. Der Kerkermeister glaubte wohl, die beiden Männer im 242
    innersten Gefängnis hätten auf geheimnisvolle Weise mit dem zu tun, was gerade geschehen war. Auch jetzt noch besuchten die Götter, als Sterbliche verkleidet, hin und

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