Die Reliquie von Buchhorn
abgabenfrei und unabhängig.
Die Abtei Lorsch entstand um 760 auf dem Gebiet des Erzbistums Mainz nördlich von Heidelberg. Lorsch erweiterte seinen Machtbereich, indem das Territorium durch Schenkungen oder Nachlass stetig wuchs und die Abtei neue Klöster gründete. Eines dieser Tochterklöster war Sankt Michael auf dem Aberinsberg, dem heutigen Heiligenberg über Heidelberg. Die Leiter solcher Tochterklöster wurden Propositus, ›Propst‹, genannt. Lorsch geriet durch den Landzuwachs in Konkurrenz zum Bistum Worms, dessen Territorium bis nach Heilbronn reichte. Lorsch schnitt Worms vom Neckar ab, indem es Ländereien zwischen Heidelberg und Mosbach sein Eigen nannte.
Urkundenfälschungen gehörten durchaus zur Praxis, um sich Land anzueignen. Inwieweit zwischen Lorsch und Worms auch Mord im Spiel war, bleibt reine Fiktion. Diese wird jedoch durch das Attentat gestützt, das Hatto, der Erzbischof von Mainz, im Jahr 912 plante, um den neu gewählten Herzog von Sachsen, Heinrich I., zu ermorden. Heinrich entkam, weil er rechtzeitig gewarnt worden war.
Wie das Beispiel von Konstanz zeigt, wertete die Reliquie eines Märtyrers einen Bischofssitz oder eine Abtei auf. Salomo brachte von seiner Romreise die Gebeine des heiligen Pelagius mit, dem noch heute ein Schrein in der Krypta des Münsters geweiht ist. Lorsch zog bald Pilger von Worms ab, als die Abtei die Reliquie des heiligen Nazarius erwarb. Wallfahrtsorte waren ein Wirtschaftsfaktor, da die Reliquien Geldzuwendungen und Schenkungen begünstigten. Reliquien waren im Mittelalter eine Handelsware. Daher waren auch bald gefälschte Reliquien im Umlauf, die nicht nur den ›kleinen Mann‹ um seine Ersparnisse bringen konnten. Reliquien haftete nichts Magisches und damit Verwerfliches an, da sie in der Vorstellung der Menschen von Gott selbst kamen.
Alltag
Im frühen Mittelalter war der Orden der Benediktiner weit verbreitet. Die Regeln des Ordens gehen auf seinen Gründer Benedikt zurück, dessen durchgreifendste Neuerung eine strenge Zeiteinteilung war, die freilich anfangs nur in den Klöstern galt. Die alten römischen Wasseruhren wurden verbessert und so geeicht, dass die Mönche alle drei Stunden zum Gebet gerufen wurden. Der Tag begann mit der Prim zum Sonnenaufgang. Es folgten Terz, Sext und None und schließlich die Vesper, das Abendgebet. Die Nacht umfasste Kompletorium, Matutina und Laudes, die um 3 Uhr morgens gehalten wurden. Dann begann der Tag von Neuem mit der Prim. Doch neben den Gebeten regelte der Orden auch alle übrigen Bedürfnisse von Geist und Körper, vom Studium über die Mahlzeiten bis hin zur Notdurft. Das Fastenbrechen zur Prim, englisch Breakfast, ging schließlich als Frühstück in den allgemeinen Sprachgebrauch ein. Aber auch das englische Noon für Mittag geht auf diese Regeln zurück, da man in England nicht bis zur Vesper mit der Hauptmahlzeit wartete, sondern schon zur Non speiste.
Im Wald, da sind die Räuber, lautet ein geflügeltes Wort. Es steht im Einklang mit dem Ruf, den der Wald im Mittelalter genoss. Er war den Menschen unheimlich, bot aber auch Schutz vor Verfolgung. Sobald man die Sicherheit einer Siedlung verließ, betrat man rechtlosen Raum. Daher schloss man sich zu Reisegesellschaften zusammen, denn wer allein reiste, lief Gefahr, Räubern in die Hände zu fallen. Da es keine Polizei gab, gehörte ihnen der Wald und auch die Straße, die durch den Wald führte.
Im frühen Mittelalter gab es noch keine beruflichen Spezialisierungen. Neun von zehn Menschen waren Bauern. Der Schmied war für jegliche Metallbearbeitung zuständig, von Hufeisen und Waffe bis hin zum Schmuck. Der Imker nutzte wilde Bienenvölker und siedelte einige schon in einfache Körbe um. Bienenzucht kam erst langsam auf. Auch Töpfer und Zimmermann gehörten zum Handwerk der Zeit. Badehäuser entstanden in den wenigen Städten, und sie gerieten sehr rasch in Verruf, da dort Mägde arbeiteten, die auch zu anderen Diensten bereit waren.
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