0046 - Die Dämonenschmiede
Ethel, die alte Kräuterfrau, hatte immer den Kopf über Leute geschüttelt, die Angst vor dem Wald empfanden. Er war ihr Freund und ernährte sie mit seinen Kräutern, die sie im ganzen Land verkaufte. Sie liebte seine Stille und die majestätische Würde der hohen Bäume.
Doch in diesen Minuten war nichts mehr von Würde oder Liebe übriggeblieben. Das Grauen näherte sich von allen Seiten.
Der Nebel versperrte der alten Ethel die Sicht. Außerdem war es bereits völlig dunkel, und der Mond ging erst später auf. Dennoch glaubte sie, huschende Gestalten zu erkennen, Figuren wie aus alten Illustrationen von Märchen und Sagen.
Es waren Schauergestalten, die sich noch in der Deckung der Bäume hielten, die jedoch unaufhaltsam näher kamen. Sie kreisten die einsame Frau in einem satanischen Tanz ein, schnellten sich von Baum zu Baum, schwangen sich mühelos durch die Wipfel und ließen sich auf den Boden fallen. Dann waren sie wieder verschwunden und erschienen an einer völlig anderen Stelle.
Die alte Ethel strich sich zitternd über die Augen. War sie verrückt geworden? Bildete sie sich das alles nur ein? Das konnte und durfte nicht wahr sein!
»Nein!« stammelte sie. »Um alles in der Welt, nein! Hilfe!«
Sie hatte nicht die Kraft, laut zu rufen. Das Entsetzen schnürte ihr die Kehle zu.
Erst nach einigen Minuten erkannte sie, daß der Wald von einem geisterhaften Leuchten erfüllt war. Es sah aus wie der Widerschein eines gigantischen Schmiedefeuers. Die alte Ethel glaubte, das Zischen und Fauchen der Esse zu hören. Es konnte aber auch das Wispern und Zischen der Monster sein, die sie umkreisten.
Hastig bekreuzigte sie sich, doch es half nichts. Sie war schutzlos den Bestien der Nacht ausgeliefert, da sie keinen geweihten Gegenstand bei sich trug.
Längst vergessene Erinnerungen an Erzählungen über Dämonen drängten sich in ihre Gedanken. Spukgestalten sollten den Wald bevölkern, hatten in ihrer Kindheit die Alten erzählt. Sie hatte die Geschichten gruselig gefunden und sie als Märchen abgetan.
Nun erlebte sie am eigenen Leib die bittere Wahrheit.
Vor Angst bebend sah sich die alte Frau nach Rettung um. Es gab jedoch keine. Die Geister und Dämonen ließen ihr keine Chance.
Ein schriller Aufschrei ließ sie erschauern. Er war das Kommando für die Bestien.
Von allen Seiten stürzten sie sich auf ihr schutzloses Opfer. Die alte Ethel sah scheußliche Monster mit zwei Köpfen oder mit langen Hörnern, von deren Spitzen Blut tropfte. Andere Gestalten humpelten auf drei Beinen einher, die Krallen auf ihr Opfer gerichtet. Giftbrodem schlug ihr aus aufgerissenen Mäulern mit blitzenden Zähnen entgegen. Schuppige Leiber schimmerten in dem flackernden Höllenfeuer.
Sie sank auf den Waldboden und starb fast vor Angst, noch ehe die ersten Dämonen sie erreichten. Und dann waren sie alle heran. Eiskalte Hände packten sie, hielten sie fest und drückten sie auf den Moosboden, daß sie sich nicht mehr rühren konnte.
Stöhnend wartete Ethel auf den Tod, der Erlösung brachte.
Die Dämonen taten jedoch nichts, sondern starrten angestrengt in den Nachthimmel hinauf. Die einäugigen Monstren hatten ihre Gesichter ebenso zur Schwärze des Himmels gewandt wie die Wesen mit zwei oder drei hervorquellenden, funkelnden Augen. Atemlose Stille legte sich über die Versammlung.
Schon faßte die alte Kräuterfrau neue Hoffnung. Kam sie vielleicht doch mit dem Leben davon?
Da ertönte ein sirrender, schwirrender Laut, wiederholte sich und schwoll an.
Stöhnend drehte die alte Ethel den Kopf so weit, daß sie zwischen den Baumwipfeln hindurch den Himmel sah.
Ein großer schwarzer Körper senkte sich zwischen den Ästen herunter.
Im ersten Moment glaubte die hilflose Frau, es wäre ein mächtiger Raubvogel, bis sie die grauenhafte Wahrheit erkannte.
Es war – ein Vampir!
In seinem Gesicht funkelten heimtückische Augen. Der Vampir riß das Maul weit auf. Blitzende Eckzähne schoben sich über die blutleeren Lippen.
Da brach ein Schrei aus der Kehle der Frau. Er gellte durch den Wald und verhallte.
Im nächsten Moment stürzte sich der Vampir auf sie hinab.
***
»Langweilst du dich?« erkundigte sich Sheila lächelnd und beugte sich über ihren Mann, der auf der Couch im Wohnzimmer lag und zur Decke starrte.
Er schlang seine Arme um sie und zog sie an sich. Doch ehe er sie küssen konnte, meldete sich der Nachwuchs.
Seufzend richtete sich Sheila wieder auf. »Es wäre so schön gewesen. Aber im Ernst,
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