Die Residenz des Doktor Rattazzi: Roman (German Edition)
Waschlauge aufgesprungenen Finger und an die Rückenschmerzen, denn stundenlang gebückt stehen, um Tischtücher und Laken gegen Steine zu schlagen, das ist nicht gut für die Gesundheit.
Doch jeder Schlag ins Wasser, jedes Rollen und Wringen der Tücher waren ein kleiner Ansporn für Antonio und ihre Tochter gewesen. Und nachdem Elemira diesen Ignazio, einen anständigen Mann, geheiratet hatte, war aus allen Mühen eine Liebkosung für die Enkel geworden. Jeder gespülte Kissenbezug ein Kuss. Jedes zum Trocknen ausgebreitete Hemd eine Umarmung.
Dank der Berge aus Laken und der Küsse, die sie in ihrem Leben angehäuft hatte, konnte Aida sich im Alter an ihren Enkeln erfreuen, besonders an Beniamino, der studierte, um Arzt zu werden: Jede gute Note, die er bekam, wurde zu einem Teil von ihr, jede Stufe, die er hinaufstieg, machte ihr das Atmen leichter nach dem gebückten Stehen und Wenden der Wäsche im eiskalten Wasser des Grabens. Vom Ufer aus, wo Aida sich endlich hatte niedersetzen dürfen, hatte sie stolz und besorgt die Fortschritte des Enkels beobachtet, hatte ihn überwacht wie ein Gärtner das Keimen einer kostbaren Pflanze, hatte sein Wachstum beschützt und ihn abgeschirmt gegen Stürme und Zerstreuungen. Und immer wenn sie ihn am Gartenzaun stehen sah, in den Anblick der Verrückten versunken, hatte sie ihn mit Vorwürfen überschüttet, ihn auf seinen Weg zurückgerufen, der auf dieser, auf ihrer Seite verlief, denn Arzt sollte er werden, Heilung und Gesundheit bringen können, was denn sonst.
Als dieser verdammte Castellucci ihm dann das Bein brach und er die Prüfungen verschieben musste, fühlte Aida sich für dieses Unglück genauso verantwortlich, als hätte sie selbst eine mörderische Attacke auf die Zukunft ihres Enkels unternommen. Sie sah Ignazios Wut, seine Fäuste, die sich ballten und auf die Luft einschlugen, seine Hand, die schwer auf den Oberschenkel fiel, und wie er unaufhörlich sagte, dass das Kind nun in den Brunnen gefallen sei, und als sie darüber zuletzt verzweifelte, lastete das ganze Gewicht der Wäscheberge wieder auf ihr, und wieder spürte sie die Feuchtigkeit, den gekrümmten Rücken und die rissigen Hände.
Aida hatte gebetet. Sie hatte geweint und gebetet, jemand dort oben möge diesen Jungen, der Arzt werden sollte, beschützen und lieber ihr, der nutzlosen Wäscherin, das Verhängnis schicken, hüftlahm zu sein. Wenn schon unbedingt ein Unglück geschehen musste, dann sollte es sie treffen, die sie sowieso an die Bürde des Waschens im Graben gewöhnt war, nicht diesen Prachtjungen Beniamino.
Sie hatte gebetet und geweint, und gerade als sie Hoffnung geschöpft und darauf vertraut hatte, die Dinge könnten sich nach und nach wieder einrenken – denn von Gott kommen die Schicksalsschläge, aber auch die Möglichkeit, mit ihnen fertig zu werden, also würde es nur darum gehen, den Studienabschluss ein wenig aufzuschieben –, da hatte Ignazio sich aus dem Staub gemacht, ohne sich zu verabschieden oder noch etwas anderes zu sagen als diesen dummen Spruch über die Kaninchen.
Und abermals hatte sich das Gewicht der Jahre und der Arbeit auf sie gelegt, ein Berg aus Mühen und Opfern, die nun schon wieder zwecklos erschienen. Also hatte Aida an dem Tag, an dem Ignazio von seinem Stuhl am Küchentisch nicht mehr aufgestanden war, mit dem Beten aufgehört. Sie hatte die schluchzende Elemira umarmt und versucht, ihre eigenen Tränen und ihren Kummer zurückzuhalten, sie hatte bei den Alltagsdingen zu helfen versucht, indem sie im Haus auf die Weise, an die sie sich erinnerte, Ordnung machte, und am Ende wäre sie gerne ganz und gar in dem Nebel versunken, der sie manchmal umgab, wo die Zeit und der Raum dehnbar waren wie Gummi, wo die Dringlichkeit der Pflichten nachließ und alles, was geschah, sich im gemächlichen Rhythmus eines Spaziergangs bewegte.
Das hatte Aida sich gewünscht, doch immer wenn sie an diesen Wunsch dachte, tauchte prompt wieder Beniaminos Gesicht auf, das über den Gartenzaun hinausblickte. Also hatte sie sich müde bis zum Zaun geschleppt und sich daran festgehalten, um dieses bedrückende Schweigen mit ihrem Enkel zu teilen, um, wie sie es ihn seit Jahren tun sah, mit anzusehen, wie die Verrückten im Hof im Kreis gingen.
In diesem Moment war ihr die Idee mit der Irrenanstalt gekommen. Einen Augenblick lang lichtete sich der Nebel, und ihr schien ganz klar, dass die unmittelbare Lösung ihrer Probleme in den Verrückten liegen konnte, die
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