Die Residenz des Doktor Rattazzi: Roman (German Edition)
Beniamino so oft beobachtete.
A N DEM T AG, an dem Beniamino sich in der Irrenanstalt vorstellte, stand er früh auf, nachdem er die Nacht mit komplizierten Träumen verbracht hatte. Mehrmals war der Schatten vom Castellucci zurückgekehrt und hatte sich, begleitet von dem unheimlichen Geräusch zersplitternden Holzes, im Traum auf ihn gestürzt. Wieder und wieder hatte dieser rasende Bulle ihn wütend angegriffen, obwohl er friedlich mitten auf dem Spielfeld stand, seine Bücher in der Hand, bekleidet mit einem schönen schwarzen Anzug mit Krawatte und blankpolierten Schuhen, wie die Doktoren sie trugen. Und während er durch den Staub des schäbigen kleinen Fußballplatzes rollte, sah er hinter der Umzäunung Elemira, Mara und Aida stehen, die beobachteten, was auf dem Rechteck des Spielfeldes geschah, so wie er immer auf den Hof der Irren schaute.
Darum wachte er an diesem Morgen schlechtgelaunt auf, eine Sorge drückte ihn mitten in der Brust, und seine Knochen schmerzten, als hätte der Castellucci ihn wirklich brutal zusammengeschlagen. Und auch als er in Begleitung von Elemira vor Professor Tiziani trat, verließ ihn dieses bedrückende Gefühl nicht.
Ohnehin hatte dieser Ort immer zwiespältige Gefühle in ihm geweckt, halb Neugier, halb Unbehagen. Dieses von der Mauer und den hohen Gittern geschützte Haus aus dunklen Ziegelsteinen war immerhin die Höhle, aus der die Gespenster herauskamen, die er durch die Öffnung in seinem Garten beobachtete. Es war ein geheimnisvoller Ort, erfüllt von herzzerreißenden Schreien, gellenden oder kehligen Lauten wie von verschreckten Tieren, etwas Unheimliches und Urtümliches, das keine Schranke ganz zurückhalten konnte.
Auch in der kleinen Stadt, in deren Mitte es lag, hatte man die Gegenwart des Irrenhauses nur hingenommen, wie man einen unbequemen Verwandten in der eigenen Familie hinnimmt, wie etwas, was es gibt, mit dem man aber tunlichst nicht viel Umgang pflegt, oder das man, wenn möglich, sogar besser vergisst. Wenn über das Haus geredet werden musste, redete man vorsichtig, in Anspielungen, oder auch erregt, wütend über einen Fluch oder eine Drohung, in Ausbrüchen wie bei einem starken Gewitter, die keine Spuren hinterließen außer diesem Bewusstsein von einer latenten Gefahr. Denn es ließ sich nicht leugnen, dass das Gehirn manchmal schon von Geburt an verfault war, wie das vom Gusto, dem Sohn des Briefträgers, der nichts anderes von sich gegeben hatte als Grunzlaute, seit er aus dem Bauch seiner Mutter hervorgekommen war, und wenn man ihn gehen sah, konnte er einen wirklich erbarmen, der Ärmste, der dauernd von einem Zittern geschüttelt wurde, so schlimm war ja nicht mal das Fieber.
Während das Gehirn also bei manchen schon holpernd geboren wurde oder sich im Lauf der Zeit nach und nach immer mehr verhedderte, wie bei alten Leuten, die sich nicht mal an ihren Namen erinnerten, gab es andere, denen die Vernunft urplötzlich abhanden kam, die eine Hippe nahmen und Frau, Kinder, Schwiegermutter und obendrein die Tiere totschlugen, oder es gab den Literaturprofessor Cavani, einen großen Liebhaber Homers, der sich von einem Tag auf den anderen in seinen unaufhörlich rezitierten Versen verlor, wobei er gestikulierte und sich auf eine Weise bewegte, die alle traurig und ängstlich machte, wenn sie diesen einst geschätzten, würdevollen Mann jetzt in einem so erbärmlichen Zustand sahen.
So wie ein Bein brach, konnte also auch im Kopf etwas zerbrechen, konnte schlecht werden und faulen, ähnlich wie Gemüse vielleicht, das fault, wenn es zu lange in der Sonne gelegen hat, und dann wurde es schwierig, Abhilfe zu schaffen, denn nicht alle können die Launen ihrer Kinder, Freunde oder Verwandten ertragen, können Gedankengängen folgen, die einem den Atem und den Schlaf rauben, können Menschen waschen und füttern, die einen Dachschaden haben und vergessen, sich zu waschen, oder ihren eigenen Unrat essen oder umgekehrt vom Zwang besessen sind, sich andauernd waschen zu müssen, bestimmte Farben nicht anzufassen, nicht mit anderen Menschen zu sprechen oder alle Spiegel zu meiden.
Leute für die Irrenanstalt. Leute, die man von den Carabinieri abholen lassen musste, wie das unten am Bahnwärterhaus mit Lorenzo passiert war, dem Sohn vom Marini, der sämtliche Möbel zerschlagen hatte und dann das Haus anzünden wollte; oder Leute, die man vorsichtig und behutsam begleiten musste, wie Maddalena, als ihre Töchter merkten, dass sie gar nicht mehr
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