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Die Revolution der Ameisen

Die Revolution der Ameisen

Titel: Die Revolution der Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
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Gegenwart bewußt. Er hatte zwar keine Augen, aber er nahm die winzigen Kurzschlüsse wahr, die das Insekt mit seinen Beinen verursachte.
    Hätte MacYavel Hände gehabt, hätte er die Königin damit zerquetscht.
    Hätte er einen Magen gehabt, so hätte er sie verschlungen.
    Hätte er Zähne gehabt, hätte er sie zerkaut.
    Doch der Computer war nur eine leblose Maschine. Nr. 10\1 rief sich den Stromkreis ins Gedächtnis, den Francine ihr eingeprägt hatte, als sie plötzlich durch das Belüftungsgitter hindurch die riesigen Augen ihres Feindes sah.
    Maximilien erkannte die gelbe Markierung auf ihrer Stirn und versprühte sein Insektizid. Die Ameise begann zu husten, und als eine zweite Giftwolke sie einhüllte, wurde die Lage unerträglich.
    Luft, schnell!
    Sie entkam durch einen Spalt, flüchtete wieder in den Salon und versteckte sich unter einem Teppich. Der Teppich wurde hochgehoben. Sie hastete unter einen Sessel. Der Sessel wurde verschoben. Sie hetzte zwischen Schuhen hindurch, gejagt von zehn Fingern. Der Nylondschungel eines dichten Teppichbodens bot ihr vorübergehend Schutz.
    Die Königin bewegte ihre Fühler. Es roch nach Kohle. Sie rannte auf einen vertikalen Tunnel zu, der ihr ein ausgezeichnetes Versteck zu sein schien, doch unterwegs wurde sie vom Strahl der Taschenlampe erfaßt.
    »Du bist im Kamin, Nr. 103, und diesmal entkommst du mir nicht, du verdammte Ameise!« rief Maximilien und leuchtete den Innenraum ab.
    Die Königin kletterte in den Schacht, wobei sie Ruß aufwirbelte.
    Maximilien wollte sie wieder mit Gift besprühen, aber die Dose war leer. Er beschloß, ihr in den Kamin zu folgen, der im unteren Teil so breit war, daß ein Erwachsener bequem Platz darin hatte. Bevor er dieses verfluchte Insekt nicht zerquetscht hatte, würde er keine Ruhe finden.
    Mit den Fingern klammerte er sich an den alten Steinen fest und suchte mit den Füßen nach einem Halt. Wie ein Alpinist hangelte er sich den dunklen Schacht hinauf. Damit hatte Nr.
    103 nicht gerechnet. Sie flüchtete etwas höher. Die Finger, die sie erbarmungslos verfolgten, rochen durchdringend nach Kastanienöl – der übliche Geruch der Finger.
    Maximilien keuchte. Für solche Kletterpartien war er eigentlich schon zu alt. Mit einer Hand in die Wand gekrallt, leuchtete er den Tunnel ab und glaubte winzige Fühler zu sehen, die ihn zu verhöhnen schienen. Er schob sich noch einige Zentimeter höher. Der Kamin wurde so eng, daß er seine Schultern kaum noch hindurchzwängen konnte, aber er war fest entschlossen, die Ameise zur Strecke zu bringen.
    Nr. 103 hatte sich in eine Ritze zwischen zwei Ziegeln geflüchtet, begriff aber, daß das ein großer Fehler gewesen war, denn nun saß sie in der Falle, und schon schob sich ein Finger in ihr Versteck, gefolgt von einem zweiten.
    »Jetzt habe ich dich!« knurrte der Kommissar und zwängte zwei weitere Finger in den Spalt, obwohl er sie dabei aufschürfte.
    Nr. 103 wich den rosa Kegeln immer wieder aus, merkte dabei aber, wie müde sie war. Schließlich war sie nur eine kleine Ameise, und die Finger waren eine schreckliche Waffe.
    Welch ein Glück diese riesigen Tiere doch hatten, an den Vorderbeinen damit ausgestattet zu sein!
    Mein einziger wirklicher Feind ist die Furcht.
    Die Königin dachte an Prinz Nr. 24, der ihr seinen Samen geschenkt hatte und deswegen gestorben war. Bald würde sie seine Kinder zur Welt bringen. Seinetwegen mußte sie weiterleben.
    Mit aller Kraft ihrer Mandibel biß sie in einen rosa Kegel und spritzte Säure in die Wunde.
    »Aua!« Die Finger zuckten vor Schmerz zurück, Maximilien verlor den Halt und stürzte ab. Sein Kopf schlug dumpf auf dem Kaminboden auf, und er blieb mit gebrochenem Nacken regungslos in der Asche liegen.
    Ende des Zweikampfs. Keine Kamera hatte dieses Duell gefilmt. Wer würde jemals glauben, daß eine winzige Ameise Sieger über Goliath geblieben war?
    Nr. 103 kletterte rasch hinunter und putzte sich gründlich. Sie leckte ihre Fühler und Beine und erholte sich dabei von der ganzen Aufregung und Anstrengung. Jetzt mußte sie ihre eigentliche Aufgabe ausführen, denn wenn sie MacYavel nicht bald den richtigen Code eingab, würden im Wald die Bomben explodieren.
    Im Computer stank es immer noch nach dem Insektizid, aber es war halbwegs erträglich. Jetzt galt es, die richtige Leitung zu finden – die Verbindung zu jenem Sender, der die Bomben zünden sollte.
    Sie durfte sich nicht irren! Sie durfte sich nicht irren! Ein einziger Fehler, und

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