Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Revolution der Ameisen

Die Revolution der Ameisen

Titel: Die Revolution der Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
Vom Netzwerk:
würfelt, in welche Richtung der nächste Angriff erfolgen soll.
    Der Einsatz von Chaos bei einer globalen Strategie führt nicht nur zu überraschenden Effekten, sondern bietet auch die Möglichkeit, die hinter wichtigen Entscheidungen stehende Logik geheimzuhalten. Niemand kann vorhersehen, wie der Würfel fällt.
    Es gibt jedoch nur wenige Generäle, die sich im Krieg trauen, das nächste Manöver den Launen des Zufalls zu überlassen. Sie glauben, auf ihre eigene Intelligenz bauen zu können. Dabei sind Würfel erwiesenermaßen die bessere Methode, den Gegner zu verunsichern, der glauben wird, irgendeinen entscheidenden Faktor der Reflexion übersehen zu haben. Aus Verwirrung wird er ängstlich reagieren und dadurch leicht zu durchschauen sein.
    EDMOND WELLS,
    Enzyklopädie des relativen und absoluten Wissens, Band III

23. DREI EXOTISCHE BEGRIFFE
     
    Nr. 103 683 und ihre Gefährtinnen schieben ihre Fühler aus dem Versteck hervor, um die Neuankömmlinge identifizieren zu können. Es sind Zwergameisen aus der Stadt Shi-gae-pu, winzig, aber sehr kampflustig und gehässig.
    Sie nähern sich, begierig auf eine Konfrontation mit den Belokanerinnen, deren Gerüche sie natürlich wahrgenommen haben. Aber was machen sie hier, so weit von ihrem Nest entfernt?
    Nr. 103 683 glaubt, daß sie aus denselben Gründen wie ihre neuen Gefährtinnen unterwegs sind: aus Neugier. Auch die Zwergameisen wollen die östlichen Grenzen der Welt erforschen. Sie entdecken das Versteck der roten Ameisen nicht, und diese lassen sie unbehelligt weiterziehen.
    Unter einer Buchenwurzel bilden sie erneut einen Kreis, berühren einander mit den Fühlerspitzen, und Nr. 103633 setzt ihren Bericht fort.
    Sie fand sich also plötzlich allein im Land der Finger wieder.
    Dort machte sie eine Entdeckung nach der anderen. Als erstes traf sie die Schaben, die behaupteten, die Finger gezähmt zu haben, die ihnen tagtäglich riesige Mengen Nahrung in großen grünen Tonnen darbringen würden.
    Danach besichtigte sie die Nester der Finger. Sie hatten gigantische Ausmaße, aber auch andere auffällige Merkmale.
    Alles war hart und quaderförmig. Es war unmöglich, einen Tunnel in die Wände zu graben. In jedem Fingernest gab es heißes Wasser, kaltes Wasser, Luft und viel tote Nahrung.
    Doch das war noch nicht das Ungewöhnlichste. Zufällig hatte Nr. 103 683 einen Finger entdeckt, der den Ameisen nicht feindlich gesinnt war, einen unglaublichen Finger, der sogar eine Kommunikation zwischen den beiden Arten herstellen wollte.
    Dieser Finger hatte eine Maschine konstruiert, die es ermöglichte, die olfaktorische Ameisensprache in die Gehörsprache der Finger zu transformieren. Er hatte sie selbst gebaut und verstand damit umzugehen.
    Nr. 14 zieht sich aus der Gesprächsrunde zurück. Ihr reicht’s!
    Sie hat genug Blödsinn gehört. Diese alte Ameise behauptet allen Ernstes, mit einem Finger ›geredet‹ zu haben! Die zwölf jungen Kundschafterinnen sind sich einig: Die Alte ist zweifellos verrückt.
    Nr. 103 683 verlangt, daß man ihr weiter ohne Vorurteile zuhören möge.
    Nr. 5 erinnert sie daran, daß die Finger ganze Ameisenstädte zerstören. Mit einem Finger zu reden – das bedeutet Kollaboration mit dem schlimmsten Feind der Ameisen.
    Ihre Schwestern wedeln zustimmend mit den Fühlern.
    Nr. 103 683 entgegnet, daß man immer versuchen sollte, seine Feinde gut zu kennen, sei es auch nur, um sie besser bekämpfen zu können. Der erste Feldzug gegen die Finger habe nur deshalb in einem Blutbad geendet, weil die Ameisen sich völlig falsche Vorstellungen von den Fingern gemacht hätten. Die zwölf zögern. Sie haben keine große Lust, sich den weiteren Bericht der Alten anzuhören, weil er viel zu bestürzend ist, aber die Neugier ist bei Ameisen genetisch tief verwurzelt, und so schließt sich der Gesprächskreis erneut.
    Nr. 103 683 erzählt von ihren Unterhaltungen mit ›dem Finger, der kommunizieren kann‹. Wieviel Wissen vermag sie den jungen Ameisen jetzt dank seinen Erklärungen zu vermitteln! Was die Ameisen von den Fingern sehen, sind nur die Verlängerungen am Ende ihrer Beine. Eine Ameise ist völlig außerstande, sich Finger vorzustellen, weil sie tausendmal größer sind als sie selbst. Wenn Ameisen glaubten, Finger hätten weder einen Mund noch Augen, so liegt das nur daran, daß diese sich in solcher Höhe befinden, daß man sie nicht sehen kann.
    Die Finger besitzen sehr wohl einen Mund, Augen und Beine. Fühler fehlen ihnen, aber die

Weitere Kostenlose Bücher