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Die Revolution der Ameisen

Die Revolution der Ameisen

Titel: Die Revolution der Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
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interessiert.
    »Die Liebe ist noch rätselhafter.«
    Ein männlicher Finger, so Nr. 103 683, führe sich dann noch seltsamer als sonst auf, nur damit ein weiblicher Finger ihm eine Trophallaxie gewähre. Bei den Fingern seien Trophallaxien nämlich keine Selbstverständlichkeit und würden manchmal sogar verweigert.
    Eine Trophallaxie verweigern? Die jungen Ameisen werden immer verwirrter. Wie kann man sich nur weigern, einem anderen durch Mund-zu-Mund-Kontakt Nahrung zuzuführen?
    Der Kreis rückt näher zusammen, in der Hoffnung, dann besser verstehen zu können.
    Nr. 103 683 behauptet, auch die Liebe rufe bei den Fingern Zuckungen hervor und helfe ihnen, das Leben zu ertragen.
    »Das muß der Hochzeitsflug sein«, meint Nr. 16.
    »Nein, es ist etwas anderes«, entgegnet Nr. 103 683, aber sie will sich nicht näher dazu äußern, weil sie nicht sicher ist, alles richtig verstanden zu haben. Es kommt ihr jedoch so vor, als sei die Liebe ein exotisches Gefühl, das Insekten nicht kennen.
    Die kleine Truppe ist uneins.
    Nr. 10 möchte die Finger kennenlernen. Sie ist neugierig auf die Liebe, die Kunst und den Humor.
    »Wir brauchen doch nur selbst Liebe, Humor und Kunst zu machen«, entgegnet Nr. 15.
    Nr. 16 möchte das Königreich der Finger auf chemischem Wege kartografieren lassen.
    Nr. 13 sagt, es sei höchste Zeit, das Universum aufzuwiegeln, eine riesige Armee aller Ameisen und aller anderen Tiere aufzustellen und mit vereinten Kräften diese tückischen Finger zu vernichten.
    Nr. 103 683 schüttelt die Antennen. Es sei unmöglich, alle Finger zu töten. Viel einfacher wäre es, sie zu … zähmen.
    »Zähmen?« rufen ihre Gefährtinnen überrascht.
    Aber ja! Die Ameisen haben doch schon eine Vielzahl von Tieren gezähmt: Blattläuse, Schildläuse … Warum sollten sie nicht auch die Finger zähmen können? Schließlich ernähren die Finger ja bereits die Schaben. Und was den Schaben gelungen ist, könnten die Ameisen zweifellos noch viel besser bewerkstelligen.
    Nr. 103 683, die mit den Fingern Kontakt hatte, hält sie nicht allesamt für Ungeheuer und Todesbringer. Man müsse mit ihnen diplomatische Beziehungen knüpfen und kooperieren, damit die Finger vom Wissen der Ameisen und die Ameisen vom Wissen der Finger profitieren könnten.
    Sie sei zurückgekehrt, um ihren Artgenossen diesen Vorschlag zu machen. Und die zwölf Kundschafterinnen sollten sie dabei unterstützen, denn es würde bestimmt nicht einfach sein, alle Ameisen davon zu überzeugen. Zweifellos sei es jedoch der Mühe wert.
    Der Spähtrupp ist wie vom Donner gerührt. Der Aufenthalt bei jenen bizarren Riesentieren muß den Verstand von Nr.
    103 683 getrübt haben. Mit den Fingern kooperieren? Sie wie Blattläuse zähmen wollen?
    Genausogut könnte man eine Allianz mit den wildesten Waldbewohnern anstreben, etwa mit den Eidechsen. Außerdem haben Ameisen überhaupt nicht die Angewohnheit, sich mit jemandem zu verbünden. Es gelingt ihnen ja nicht einmal, mit ihresgleichen friedlich zusammenzuleben. Die Welt besteht nun mal aus Konflikten, aus Kriegen zwischen Kasten, zwischen Städten, zwischen Stadtvierteln, sogar aus Bruder-und Schwesterkriegen.
    Und da schlägt diese alte Kundschafterin mit der befleckten Stirn und dem Panzer, der von harten Kämpfen zeugt, eine Allianz mit den Fingern vor! Mit gigantischen Wesen, deren Augen und Münder man nicht sehen kann.
    Welch aberwitzige Idee!
    Nr. 103 683 insistiert. Sie wiederholt immer und immer wieder, daß die Finger – jedenfalls einige – dasselbe Ziel verfolgten: eine Kooperation zwischen Ameisen und Fingern.
    Sie betont, man dürfe diese Tiere nicht unter dem Vorwand verachten, daß sie anders und unbegreiflich seien. »Man braucht immer jemanden, der größer ist als man selbst«, behauptet sie.
    Schließlich könnten die Finger einen Baum in Windeseile fällen und in Stücke zerhacken. Deshalb wären sie hochinteressante militärische Verbündete. Wenn es zu einer Koalition käme, brauchte man ihnen nur zu sagen, welche Stadt sie zerstören sollten, und sie würden es im Nu erledigen.
    Dieses Argument leuchtet den kriegerischen jungen Ameisen ein. Die alte rote Ameise ist sich dessen bewußt und geht sogar noch weiter: »Stellt euch doch nur einmal vor, wie mächtig wir wären, wenn wir bei irgendeiner Schlacht eine Legion von hundert gezähmten Fingern einsetzen könnten!«
    Der Spähtrupp begreift, daß dies ein entscheidender Augenblick in der Geschichte der Ameisen ist. Wenn es der

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