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Die Revolution der Ameisen

Die Revolution der Ameisen

Titel: Die Revolution der Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
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daß sie sich hier auf Wespenterritorium befinden, wo Ameisen nichts zu suchen haben.
    Nr. 14 erklärt, daß eine der ihren dringend geschlechtsfähig werden müsse, weil das für das Überleben der ganzen Gruppe vonnöten sei.
    Die Wespen beraten sich. Ihre Konversation geht auf ganz besondere Art vonstatten, nicht nur mit Hilfe von Pheromonen, sondern auch durch Gestikulieren mit den Fühlern. Überraschung wird durch Aufrichten der Antennen signalisiert, Mißtrauen durch rasches Vorwärtswerfen und Interesse durch Bewegungen nur eines Fühlers. Manchmal berühren sie einander auch mit ihren weichen Fühlerspitzen. Nr. 103 nähert sich und stellt sich vor. Sie ist es, die eine Prinzessin werden möchte.
    Die Wespen klopfen auch ihr auf den Schädel und schlagen ihr sodann vor, ihnen zu folgen. Sie dürfe mitkommen, aber nur sie allein.
    Nr. 103 erklärt sich dazu bereit.
    Am Eingang des Wespennests stehen weitere Wächterinnen.
    Das ist normal. Es gibt keinen anderen Zugang, so daß Feinde nur an diesem Punkt angreifen können. Außerdem wird von hier aus auch die Temperatur im Innern geregelt: Die Wächterinnen sorgen durch ständige Flügelbewegungen für eine Durchlüftung der Stadt.
    Diese Papierwespen kommen Nr. 103 durchaus fortschrittlich vor. Ihr Nest besteht aus horizontalen Waben, die parallel verlaufen und jeweils eine Reihe von Zellen tragen. Diese Zellen sind hexagonal geformt, genauso wie in Bienenstöcken.
    Pfeiler aus fein zerkautem grauem Papier verbinden die einzelnen Waben miteinander. Mehrere Lagen Pappmache schützen die Randbereiche vor Kälte und Erschütterungen. Im Gegensatz zu einem Bienenstock, der eine dauerhafte Stadt ist, sind Wespennester nur für eine Saison geschaffen. Im Frühjahr macht sich eine befruchtete Wespenkönigin auf die Suche nach einem Ort, der sich zum Nestbau eignet. Sobald sie ihn gefunden hat, baut sie eine Pappzelle, in der sie ihre Eier ablegt. Wenn die Larven schlüpfen, ist die Mutter den ganzen Tag damit beschäftigt, Nahrung für sie zu beschaffen. Die Larven brauchen fünfzehn Tage, um sich in einsatzfähige Arbeiterinnen zu verwandeln, woraufhin die Königin weitere Eier legt.
    Nr. 103 sieht die Brutwaben und überlegt, wie es möglich ist, daß Eier und Larven an den Decken hängen können. Dann schaut sie genauer hin und begreift, daß die Ammen eine Art Leim absondern. Die Wespen haben nicht nur Papier und Pappe erfunden, sondern auch den Klebstoff.
    Nachdem es im Tierreich weder Nägel noch Schrauben gibt, ist Leim das beliebteste Hilfsmittel für alle möglichen Zwecke.
    Manche Insekten haben es in der Produktion zu solcher Meisterschaft gebracht, daß ihr Klebstoff sich innerhalb von Sekunden in eine harte Substanz verwandelt.
    Nr. 103 wird durch den Hauptgang geführt, von dem schmale Seitengänge abgehen. Auf jeder Etage gibt es ein Loch im Boden, das eine mühelose Kommunikation zwischen den vielen Stockwerken ermöglicht. Trotzdem ist der Bau bei weitem nicht so imposant wie ein goldener Bienenstock. Hier ist alles grau in grau. Gelbschwarze Arbeiterinnen mit bizarren Mustern auf der Stirn zermahlen Holz und stellen die Papierpaste her, mit der sie die Wände bestreichen, wobei sie mit ihren zangenförmigen Fühlern kontrollieren, ob das Werk gelungen ist.
    Andere Wespen transportieren Fleisch: betäubte Fliegen und Raupen. Ein Teil dieser Beute ist für die Larven bestimmt, die ständig hungrig sind. Wespen sind die einzigen sozialen Insekten, die ihre Brut mit rohem Fleisch füttern, das vorher nicht einmal zerkleinert wird.
    Die Wespenkönigin ist größer, dicker und nervöser als ihre Töchter, die sich um sie scharen. Nr. 103 ruft sie mit Hilfe von Pheromonen herbei, die Königin nähert sich huldvoll, und die alte rote Ameise erklärt ihr, warum sie hergekommen ist: Sie wäre über drei Jahre alt, und ihr Tod nicht mehr fern. Doch nur sie allein könne ihrer Geburtsstadt eine ungemein wichtige Information übermitteln, und sie wolle nicht sterben, bevor sie diese Mission erfüllt habe.
    Die Königin der Papierwespen betastet Nr. 103 mit ihren Fühlerspitzen, um die Gerüche besser wahrnehmen zu können.
    Sie begreift nicht, warum eine Ameise eine Wespe um Hilfe bittet. Das ist nicht üblich. Normalerweise bleibt jede Art für sich. Nr. 103 beteuert, daß sie in diesem Fall auf die Hilfe der Wespen angewiesen wäre, weil Ameisen das ›Gelee royale‹
    nicht produzieren könnten, das sie zum Weiterleben benötigte.
    Die Wespenkönigin

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