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Die Revolution der Ameisen

Die Revolution der Ameisen

Titel: Die Revolution der Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
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gegeben, weil Sie eine recht interessante These über Saint-Just entwickeln, der Ihrer Ansicht nach die Revolution pervertiert hat.«
    Julie hob angriffslustig den Kopf. »Ja, das glaube ich allerdings!«
    »Was haben Sie denn gegen diesen hervorragenden Mann?
    Saint-Just war ein sehr charmanter und kultivierter Mensch, und er hatte in der Schule bestimmt bessere Noten als Sie.«
    »Saint-Just«, erwiderte Julie, ohne sich provozieren zu lassen, »hielt eine gewaltlose Revolution für unmöglich. Er hat es selbst geschrieben: ›Die Revolution zielt darauf ab, die Welt zu verbessern, und wenn manche damit nicht einverstanden sind, muß man sie eliminieren.‹«
    »Ich stelle mit Freuden fest, daß Sie doch über ein bestimmtes Wissen verfügen. Immerhin haben Sie einige Zitate im Kopf.«
    Das junge Mädchen konnte ihm nicht gestehen, daß die Ideen über Saint-Just der Enzyklopädie entstammten.
    »Aber Saint-Just hatte natürlich völlig recht«, fuhr der Lehrer fort. »Eine gewaltlose Revolution ist unmöglich …«
    Julie widersprach. »Ich glaube, wenn man tötet, wenn man Menschen zwingt, etwas zu tun, was sie nicht tun wollen, beweist man nur, daß es einem an Fantasie fehlt, daß man unfähig ist, seine Ideen auf humane Weise zu verwirklichen. Es gibt bestimmt Möglichkeiten, eine gewaltlose Revolution zu inszenieren.«
    Interessiert provozierte der Lehrer seine junge Gesprächspartnerin: »Un-mög-lich! Die Weltgeschichte kennt keine gewaltlosen Revolutionen. Die beiden Wörter schließen einander aus.«
    »Dann muß man die gewaltlose Revolution eben noch erfinden«, sagte Julie trotzig.
    Zoé kam ihr zu Hilfe. »Der Rock and Roll, die Informatik …
    das sind gewaltlose Revolutionen, die ohne Blutvergießen die Mentalität der Menschen verändert haben.«
    »Das sind doch keine Revolutionen!« rief der Lehrer empört.
    »Der Rock and Roll und die Informatik hatten keinerlei Auswirkungen auf die Politik. Sie haben keine Diktatoren vertrieben und den Bürgern keine größere Freiheit beschert.«
    »Der Rock hat das tägliche Leben der Menschen mehr verändert als die Revolution von 1789, die letztlich nur zu noch schlimmerem Despotismus führte«, warf Ji-woong ein.
    »Mit Rock kann man die Gesellschaft umwälzen«, bestätigte David.
    Die Klasse staunte, daß Julie und die Sieben Zwerge Ansichten vertraten, die nicht im Geschichtsbuch standen.
    Der Lehrer ging zum Pult und machte es sich auf seinem Stuhl bequem. »Also gut, eröffnen wir die Debatte. Nachdem unsere Rockgruppe die Errungenschaften der Französischen Revolution in Frage stellt, werden wir über Revolutionen im allgemeinen diskutieren.«
    Er hängte eine Weltkarte auf und deutete mit seinem Zeigestock auf verschiedene Erdteile und Länder.
    »Der Spartakusaufstand der Antike, der Amerikanische Unabhängigkeitskrieg, die Pariser Kommune im 19.
    Jahrhundert, Budapest 1956, Prag 1968, die Nelkenrevolution in Portugal, die mexikanischen Revolutionen von Zapata und seinen Vorgängern, Maos ›Langer Marsch‹ in China, die sandinistische Revolution in Nicaragua, Fidel Castros Machtergreifung in Kuba – sie alle, ich wiederhole: Alle, die die Welt verändern wollten, weil sie ihre eigenen Ideen für besser als die der Herrschenden hielten, mußten kämpfen, um diese Ideen durchzusetzen. Viele sind gestorben. Das ist eben der Preis, den man bezahlen muß. Es gibt nichts umsonst.
    Revolutionen sind nun einmal blutig. Aus diesem Grunde fehlt auf keiner revolutionären Fahne die rote Farbe.«
    Julie war nicht bereit, klein beizugeben. »Unsere Gesellschaft hat sich verändert«, widersprach sie vehement.
    »Man muß eine Sklerose ohne Brutalität überwinden können.
    Zoé hat recht: Rockmusik und Informatik sind gute Beispiele für sanfte Revolutionen. Sie benötigen keine roten Fahnen, und ihre ganze Tragweite ist noch nicht erforscht. Die Informatik ermöglicht Tausenden von Menschen, sehr schnell über riesige Entfernungen hinweg miteinander zu kommunizieren, ohne jede Gängelung durch die Machthaber. Die nächste Revolution wird sich dieser Werkzeuge zu bedienen wissen.«
    Der Lehrer schüttelte den Kopf, seufzte und wandte sich an die ganze Klasse: »Glauben Sie das wirklich? Ich werde Ihnen eine kleine Geschichte über ›sanfte Revolutionen und moderne Kommunikationsmittel‹ erzählen. Im Jahre 1989, auf dem Platz des Himmlischen Friedens, glaubten chinesische Studenten, mit Hilfe moderner Technologie eine neuartige Revolution erfinden zu

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