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Die Revolution der Ameisen

Die Revolution der Ameisen

Titel: Die Revolution der Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
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Individualismus.
    Nr. 103, die unzählige physische Duelle überlebt hat muß zum erstenmal ein geistiges Duell führen, und das ist viel schwieriger.
    Diese Wespe ist sehr durchtrieben. Sie zwingt die alte Ameise, ein Wort auszusprechen, das bei Insekten absolut tabu ist: ›Ich‹. Langsam formuliert sie den unerhörten Satz, der durch Pheromone übermittelt wird:
    »Ich bin etwas ganz Besonderes.« Die Wespenkönigin zuckt zusammen, und ihr Hofstaat weicht erschrocken zurück. Ein soziales Insekt, das ›ich‹ sagt, widerspricht allen Gepflogenheiten.
    Dieses Rededuell amüsiert jedoch die Wespenkönigin, die Nr. 103 wegen des Gebrauchs des Tabuwortes ›ich‹ nicht zurechtweist, sondern nur wissen will, über welche besonderen Eigenschaften die alte Ameise denn verfüge. Die Gemeinschaft der Papierwespen werde beurteilen, ob sie wirklich so
    ›besonders‹ sei, daß es sich lohne, ihren genetischen Code an eine Nachkommenschaft weiterzugeben. Die Königin verwendet absichtlich den Ausdruck: ›Wir, die Papierwespen‹, um zu demonstrieren, daß sie das Kollektiv gegenüber dem egoistischen Individuum verteidigt.
    Nr. 103 weiß, daß sie jetzt keinen Rückzieher mehr machen kann. In den Augen all dieser Wespen ist sie eine degenerierte Ameise, die sich nur um sich selbst kümmert. Ihr bleibt nur noch eines übrig: ihre persönlichen Vorzüge aufzuzählen.
    Also erklärt sie, daß sie über die in der Insektenwelt seltene Gabe verfüge, neue Erscheinungen erforschen zu wollen, auch wäre sie eine erfahrene Kriegerin und Kundschafterin. Diese Talente könnten ihrem Volk sehr zugute kommen.
    Die Wespenkönigin ist belustigt. Die alte Ameise, die mühsam nach Luft ringt, hält Neugier und Kampflust also für wertvolle Eigenschaften? Sie gibt ihr zu verstehen, Kriegstreiber seien in allen Städten eher unerwünscht, speziell, wenn sie sich auch noch in alles einmischten und für allwissend hielten.
    Nr. 103 läßt ihre Fühler hängen. Die Wespenkönigin ist viel gerissener, als sie jemals für möglich gehalten hätte. Ihr, der Ameise, bleibt nichts übrig, als sich immer mehr abzumühen.
    Diese Prüfung erinnert sie an jene, der sie in der Welt der Schaben unterzogen wurde, die sie vor einen Spiegel gestellt und ihr Verhalten genau beobachtet hatten. Weil sie nicht gegen ihr Spiegelbild kämpfen wollte, wurde sie von den Schaben akzeptiert.
    Jenes Examen hatte sie intuitiv bestanden. Die Schaben hatten ihr beigebracht, sich selbst zu akzeptieren. Aber diese Wespe stellt ihr jetzt eine viel schwierigere Aufgabe: Sie soll erklären, warum diese Eigenliebe gerechtfertigt ist.
    Die Königin wiederholt ihre Frage.
    Die alte Ameise beharrt auf ihren beiden Haupteigenschaften, der Neugier und Kampfkraft, die ihr geholfen hätten, so lange zu überleben, während unzählige andere Ameisen gestorben wären. Der genetische Code der Toten sei also schlechter als ihr eigener gewesen, behauptet sie.
    Die Wespenkönigin hält ihr entgegen, viele ungeschickte oder feige Soldatinnen würden Kriege überleben, während mutige und fähige oft stürben. Das sei reiner Zufall, weiter nichts.
    Nr. 103 muß jetzt ihr stärkstes Argument einsetzen:
    »Ich bin etwas Besonderes, weil ich die Finger kennengelernt habe.«
    Die Königin fragt erst nach kurzem Schweigen zurück: »Die Finger?«
    Nr. 103 erklärt, die seltsamen Vorfälle, die sich neuerdings im Wald häuften, seien das Werk einer relativ neuen, riesigen unbekannten Tierart namens Finger. Sie, Nr. 103, habe diese Wesen kennengelernt und sogar Dialoge mit ihnen geführt. Sie kenne ihre Stärken und Schwächen.
    Die Wespenkönigin läßt sich auch davon nicht beeindrucken.
    Auch sie kenne die Finger, erwidert sie. Das sei doch nichts Außergewöhnliches. Viele Wespen würden die sogenannten Finger treffen, die groß, langsam und weich seien und alle möglichen Leckereien mit sich führten. Manchmal würden sie Wespen in durchsichtigen Behältern einsperren, doch wenn diese Höhlen sich wieder öffneten, könnten die Wespen die Finger stechen.
    Die Finger … Die Wespenkönigin hat keine Angst vor ihnen. Sie behauptet sogar, welche getötet zu haben. Gewiß, sie sind sehr groß und dick, aber sie haben keinen Panzer, und deshalb ist es sehr einfach, mit dem Stachel ihre weiche Haut zu durchbohren. Nein, so sagt sie abschließend, eine Begegnung mit den Fingern sei wirklich kein einleuchtendes Argument, um das kostbare Hormongelee der Wespen zu beanspruchen.
    Darauf war Nr. 103 nun

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