Die Riesin Arachna
Sie hatte ein ganzes Lager von diesem Dreckszeug zusammengetragen und im riesigen Speisesaal gehortet. Der Staub war ihr mehr wert als jeder Goldschatz.
»Los geht’s!« befahl sie und lenkte den Teppich nun zur Siedlung an der Wassermühle.
Sie war ganz bewußt in aller Herrgottsfrühe aufgebrochen, damit die Taureker nicht vorzeitig von ihrem Vorhaben Wind bekamen und davonliefen. Die frühen Morgenstunden, in denen die Leute am tiefsten schliefen, waren ihr gerade recht.
Karena zog in Gedanken einen riesigen Kreis, der von der Wassermühle über die Geröllsteppe bis hin zur Siedlung der Tau neben der Steinmühle reichte, und machte sich ans Werk.
Sie band einen der Säcke auf und begann den gelben Staub auszuschütten, wobei sie den Teppich anwies, möglichst tief zu fliegen. In dicken Schwaden senkte sich der erstickende Schmutz auf die Erde.
Ringsum herrschte völlige Stille, auch der Teppich glitt lautlos dahin, und so ahnten die Zwerge, die friedlich in ihren Betten schliefen, nichts von dem Schlag, zu dem die Riesin ausgeholt hatte.
Bald schon bildete der Staub über dem Gebiet, das die Hexe auserkoren hatte, eine geschlossene Decke, schnitt als undurchdringlicher gelber Vorhang das Land Taurekien von der übrigen Welt ab. Verbunden mit Wasser, Nebel und dem Morgentau, würde der Schmutz zu einer dichten Masse aufquellen, die sämtliche Senken und Spalten füllte. Nicht mal eine Maus könnte dann mehr hindurchschlüpfen.
Nachdem Karena ihr verderbenbringendes Gut abgeworfen hatte, kehrte sie ins Schloß zurück, um Nachschub zu holen. Sie schaffte es, den Kreis ein zweites Mal abzufliegen und damit die Siedlungen der Taureker vollständig einzuhüllen.
Nun hatte sie ihr Ziel erreicht: der gelbe Dunst würde den Zwergen die Luft nehmen und sie wie eine Schlange im Würgegriff erdrücken.
Die Hexe ließ sich vom Teppich zum höchsten Turm ihres Schlosses bringen, wo sich eine Aussichtsplattform befand. Von dort aus betrachtete sie zufrieden ihr Werk und rieb sich vor Vergnügen die Hände. Zwar fiel ihr noch ihre Tochter ein, die irgendwo da draußen steckte, aber die war widerstandsfähig und würde sich schon durchschlagen. Auch ihr würde die Sache eine Lehre sein. So richtig treffen dagegen würde sie diese aufsässigen Wichte.
»So wahr ich Karena heiße«, murmelte sie kichernd, »ein paar Tage noch, dann werden die Zwerge auf Knien angerutscht kommen, damit ich sie von dem Gelben Nebel befreie!«
GEFANGEN IM GELBEN NEBEL
Der Jäger Arkado war der erste, der am Morgen das Haus verließ und bemerkte, daß etwas nicht stimmte. Die Sonne, die um diese Zeit schon hinter den Felsvorsprüngen hätte hervorschauen und ihre wärmenden Strahlen zur Erde schicken müssen, sah aus wie eine große schmutzige Apfelsine. Sie leuchtete kaum, und von wärmenden Strahlen konnte man gleich gar nicht reden.
Arkado schaute in die Runde und stellte fest, daß überall, so weit er blicken konnte, ein gelber Schleier über der Erde wallte. Er reichte bis in die Ebene hinunter, stand über der Wassermühle und erhob sich auch hier, an der Steinmühle! Selbst über der Staubschlucht hing er, vermengte sich mit den Nebelschwaden dort. Man hätte meinen können, die Schlucht wollte ihre Fühler ausstrecken, um die ganze Umgebung in sich einzusaugen.
Der Jäger rannte entsetzt ins Haus zurück, er traf auf der Schwelle Kastao und Antreno, die gleichfalls keine Ruhe mehr hatten. Wortlos wies er mit einer weiten Handbewegung nach draußen, damit die Ältesten sich selbst ein Bild von dem Geschehen machten.
»Das ist es also, was Karena vorhatte!« sagte Antreno nach einer Weile betroffen. »Seht nur, meine Siedlung an der Wassermühle ist schon gänzlich von diesem Nebel überzogen. Ich muß sofort zu meinen Brüdern und Schwestern!«
Er eilte, so schnell er konnte, davon. Die beiden anderen hielten ihn nicht ab – ein Stammesältester hatte im Augenblick der Gefahr bei seinem Volk zu sein.
»Was meinst du«, wandte sich der Jäger an Kastao, »ist dieser Dunst sehr gefährlich?«
»Ich glaube schon«, antwortete Kastao, und da er merkte, daß der Jäger, der ja nie bei den Mühlen gearbeitet hatte, nur wenig über diese Erscheinung wußte, erklärte er:
»Gefährlich ist der Gelbe Nebel vor allem, weil er ein Gemisch darstellt. Der Steinstaub an sich ist leicht und wird normalerweise vom Wind weggeweht. Vermengt mit Wasser, kann er jedoch endlos lange in der Luft hängen.«
Er räusperte sich und fuhr
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