Die Ritter der vierzig Inseln - Rycari Soroka Ostrovov
seinen entzündeten, tränenden Augen zu wechseln. Wir anderen saßen daneben und diskutierten über den Vorfall.
Der Spiegel hatte Ilja das Augenlicht gerettet. Dadurch, dass er heiß und trüb wurde, reflektierte er nur einen kleinen Teil des auf ihn gerichteten Energiestrahls, der so stark war, dass er das Glas zerspringen ließ, als hätte man einen Stein darauf geworfen.
Das einzig Dumme war nur, dass Ilja das sorgfältig gehütete Geheimnis nicht richtig hatte erkennen können. Wie er erzählte, hatte er etwas Graues, Flaches im Spiegel gesehen, das von oben schnell näher kam. Dann leuchtete in der Mitte dieses grauen, rundlichen, von oben herabfallenden Körpers ein weißer Lichtstrahl auf.
Seine Schilderung ließ Raum für vielfältige Interpretationen. Timur zum Beispiel behauptete steif und fest, dass es sich nur um eine fliegende Untertasse handeln konnte. Mir dagegen erschien dies zu naheliegend, und ich vermutete kompliziertere Zusammenhänge hinter der Erscheinung. Im Laufe der hitzigen Debatte mussten Raumschiffe, laserbewaffnete Flugzeuge, ja sogar krötenartige Monster und Licht speiende Drachen als Erklärung herhalten.
Da Tom kaum ein Wort verstand, wurde ihm schnell langweilig, und er war froh, als wir unsere wilden Spekulationen endlich einstellten und zu seinem Thema, nämlich der Instandsetzung des alten Kahnes, übergingen.
In der Zwischenzeit hatten die Nachwuchsbootsbauer aus der halb verfaulten Nussschale eine kleine Jacht gezaubert. Aus Brettern hatten sie ein Oberdeck gezimmert, zudem den Mast verstärkt und den Kiel befestigt.
Jetzt bestand Tom noch darauf, im Schiffsbauch eine kleine Kajüte einzubauen, in der vier Besatzungsmitglieder Platz zum Schlafen finden sollten. Obwohl dies die Inbetriebnahme unseres Bootes natürlich um einige Tage verzögern würde, gab es keinerlei Einwände gegen seinen Plan, denn eine Segeljacht ohne Kajüte wäre nur eine halbe Sache gewesen.
Bald kam die Sprache auf den ersten Einsatz unseres Bootes. Es war bereits beschlossene Sache, dass der ganze Archipel durchsegelt, alle Inseln auf einer Karte eingezeichnet und unterwegs neue Mitglieder für die Konföderation geworben werden sollten. Dass Tom der Kapitän sein würde, stand ebenfalls außer Frage. Wer jedoch die übrigen Besatzungsmitglieder sein würden, stand keineswegs fest, und mitfahren wollten fast alle.
Ehe sich die Diskussion in einen handfesten Streit auswachsen konnte, beendete sie Chris mit einem Machtwort. Er verließ wortlos den Saal und kam kurz darauf mit einer Handvoll Streichhölzer wieder zurück.
»Wir werden Hölzchen ziehen«, erklärte er. »Es sind vier kurze dabei, das ist die Besatzung.«
Es waren insgesamt acht Streichhölzer. Als Ersten ließ er Ilja ziehen: ein langes; als Nächster war Sershan an der Reihe, der es ihm mit einer gekünstelt schwungvollen Bewegung aus der Faust zog: auch ein langes; das erste kurze Hölzchen erwischte Timur; das zweite zog ich heraus und freute mich nicht einmal sonderlich, da ich irgendwie damit gerechnet hatte; jetzt streckte Tom die Hand aus, um zu ziehen, doch Chris zog seine Faust mit einem entrüsteten Blick zurück.
»Du fährst auf jeden Fall mit, Tom, schließlich bist du der Kapitän«, sagte er feierlich. »Und ich brauche auch
kein Hölzchen ziehen, denn mein Schiff ist hier auf der Insel.«
»Wenn du nicht ziehst, ist aber ein Streichholz zu viel da«, bemerkte Sershan scharfsinnig.
»Von wegen«, intervenierte Inga. »Ich bin schließlich auch noch da!« Mit wild entschlossener Miene trat sie zu Chris und entwand seinen zusammengepressten Fingern ein kurzes Hölzchen.
»Frau an Bord ist Selbstmord«, fabulierte Sershan enttäuscht.
Das letzte kurze Streichholz zog Janusch.
7
FÜNF AUF DEM OZEAN
An einem kühlen Abend, als es bereits dämmerte und der böige Nordwind sich zu einer sanften Brise verflüchtigt hatte, stach unser kleines Schiff, dem wir auf Vorschlag unseres pfiffigen australischen Kapitäns den Namen Aliens Nightmare gegeben hatten, von der Küste der Insel Nr. 36 in See. Den ganzen Vormittag hatten Tom und seine Bootsbauer damit zugebracht, ihrem Werk den letzten Schliff zu geben. Daraufhin hatten wir Tom genötigt, sich vor der Abfahrt ein paar Stunden schlafen zu legen. Nun, da der Moment des Ablegens gekommen war, prüften Tom und Timur noch einmal Vorräte und Ausrüstung: Proviant, Trinkwasser, Ersatzsegel, Fernglas. Alle Besatzungsmitglieder waren mit winddichten Jacken ausgestattet, die
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