Die Ritter der vierzig Inseln - Rycari Soroka Ostrovov
kläglich, da ich mich in den Maschen der verflixten Hängematte verheddert hatte und wie eine Mumie eingewickelt dalag. Nachdem ich mich schließlich befreit hatte, setzte ich mich mit einem eleganten Beinschwung auf, wobei mein Schädel polternd gegen die Decke rumste.
»Pst!«, zischte Tom. »Du bist very laut.«
»Mist!«, hauchte ich, biss die Zähne zusammen und glitt aus der Hängematte. Niemand war aufgewacht. Es war keinerlei Geräusch zu hören, nicht einmal spritzendes Wasser. Unser Boot trieb ganz ruhig im Meer. Tom murmelte irgendetwas auf Englisch vor sich hin, was ich nicht verstand, ich bekam nur mit, dass er etwas von seinem Vater und von einem schönen Schiff sagte. Vermutlich fand Tom es wesentlich gemütlicher, mit seinem Vater auf einer Jacht vor Australien zu segeln als mit unserem improvisierten Boot auf einem fremden Ozean.
Nachdem Tom mir die beiden Windjacken gegeben hatte, kletterte er in die Hängematte, während ich so leise wie möglich die Kajüte verließ und an Deck ging.
Draußen herrschte noch tiefe Nacht, obwohl ich im Osten einen Hauch von Dämmerung wahrzunehmen glaubte. Im Süden durchbrach das Leuchtfeuer der Insel Nr. 23 das Dunkel. Der mit fremden Sternen geschmückte Himmel über mir schaukelte im Rhythmus des Bootes einschläfernd hin und her. Blinzelnd suchte ich nach dem Auge des Außerirdischen, doch mein Blick verlor sich alsbald im Gewirr der funkelnden Muster. Ein kleiner Nachen mit ein paar Teenagern an Bord auf dem Ozean - was für eine Nichtigkeit angesichts der sich über mir dehnenden Unendlichkeit.
Schwer lag die Müdigkeit auf meinen Lidern, so schwer, dass sich aus meinem Unterbewusstsein ein verlockender, arglistiger Gedanke meldete: Warum nicht in die Kajüte gehen, Timur oder Janusch aufwecken und mich ablösen lassen? Schließlich konnten sie ja nicht wissen, wann Tom nach unten gekommen war und wie lange ich schon Wache gehalten hatte.
Entrüstet über diese niedere Anwandlung, lehnte ich mich über Bord und schöpfte mir einige Handvoll kühles Meerwasser ins Gesicht. Das salzige Nass brannte auf meinen Lippen, die völlig ausgetrocknet und aufgesprungen waren. Kühle und Schmerz vertrieben die Müdigkeit, der Gedanke, in die Kajüte zurückzugehen, löste sich in Luft auf.
Da das Boot keinerlei Anstalten machte, aus dem Lichtschein des Leuchtfeuers davonzutreiben, streckte ich mich auf der Holzbank am Achterdeck aus und legte mir eine mit Vorräten gefüllte Stofftasche unter den Kopf. Um nicht wieder müde zu werden, nahm ich mir vor, den Sternenhimmel des fremden Planeten zu studieren - und dann sah ich es, das Auge des Außerirdischen …
Als ich morgens erwachte, dümpelte die Aliens Nightmare nur etwa hundert Meter vor der Küste der Insel Nr. 23 im flachen Wasser. Schlaftrunken erhob ich mich von meinem unbequemen Lager und sah mich um. Über der Burg, die sich genau in der Mitte der von niedrigen Büschen bewachsenen Insel befand, hing eine aus zwei Fetzen zusammengenähte, rot-blaue Flagge schlaff von ihrem Mast herab. Knapp darunter war ein schmales weißes Band befestigt, das Zeichen der Konföderation.
Erst jetzt bemerkte ich, dass unser Boot ganz langsam auf die Küste zutrieb und auf Grund zu laufen drohte. Eilig schlüpfte ich in die Kajüte und weckte Tom. Zu zweit setzten wir das Segel, das sich im schwachen morgendlichen Wind sanft blähte. Während ich das Segel an den Schoten festhielt, kurbelte Tom stürmisch am Steuerrad. Mit ächzendem Ruder drehte die Aliens Nightmare bei und entfernte sich langsam vom Ufer. Wir hatten keine Zeit zu verlieren, denn wir hatten uns vorgenommen, innerhalb eines Tages den gesamten Archipel zu durchqueren und alle Inseln zu kartieren.
Etwas später quietschte die Kajütentür, und Timur erschien an Deck. Von der grellen Sonne geblendet, kniff er die Augen zusammen, beugte sich über die Bordwand und wusch sich prustend das Gesicht. Dann legte er die flache Hand über die Augen, um sich vor der noch tief stehenden Sonne zu schützen, und spähte aufs Meer hinaus.
Tom steuerte das Schiff nach Norden. Wir segelten unter der Brücke hindurch, die die Insel Nr. 23 mit ihrer Nachbarinsel Nr. 16 verband. Letztere hieß die Insel der Blauen Spiegel, und es schien ratsam, sie in sicherer Entfernung zu passieren, da ihre Bewohner der Idee der Konföderation
stets mit kategorischer Ablehnung begegnet waren. Nach mehreren vergeblichen Versuchen, ihren Anführer, einen grimmigen Jungen namens Max, zu
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