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Die Ritter der vierzig Inseln - Rycari Soroka Ostrovov

Titel: Die Ritter der vierzig Inseln - Rycari Soroka Ostrovov Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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uns vor dem Tor der fremden Burg und verlangten johlend Einlass. Es war vermutlich das erste Mal, dass sich auf einer Insel eine derart zahlreiche, bewaffnete, siegestrunkene und, was das Erstaunlichste ist, einträchtige Meute versammelt hatte.
    Doch obwohl ich mich also genauso verhielt wie alle anderen auch, klang es mir ständig in den Ohren: Wozu? Wozu?
    Timur stieg durch ein Fenster in die Burg ein und öffnete das Tor von innen.
    Wozu?
    Um nach den restlichen Bewohnern der Insel zu suchen, schwärmten wir in der Burg aus. In einem großen Saal, der ein wenig an unseren Thronsaal erinnerte, stießen wir auf drei Mädchen und einen etwa dreizehnjährigen Jungen, dessen Arm verbunden war. Alle vier waren bewaffnet, und selbst die Schwerter der Mädchen blitzten stählern.
    Wozu?
    »Werft die Waffen weg!«, befahl Chris nachdrücklich. »Wir haben nicht die geringste Lust, euch zu töten.«
    Klirrend landeten die Schwerter der Mädchen auf dem Boden. Nach kurzem Zögern warf der Junge seines dazu.
    »Na also«, sagte Tolik. »Ihr geht fürs Erste auf verschiedenen Inseln in Gefangenschaft. Und dann sehen wir weiter.«
    Wozu?

    Nachdem Tom sich von dem Schock, auf der Brücke einen Kämpfer getötet zu haben, erholt hatte, machte er sich an die Reparatur des Bootes. Genauer gesagt: Er koordinierte die Reparatur des Bootes. Denn mit den eigentlichen Arbeiten waren hauptsächlich Sershan, Ilja und zwei handwerklich geschickte Jungen von der Insel Nr. 12 befasst. Tom dagegen hüpfte meist geschäftig um das Boot herum, das auf die Seite gedreht vor der Burgmauer im Sand lag, und gab in einem haarsträubenden englischrussischen Kauderwelsch seine Instruktionen. Einen Vorteil hatte dieses sprachliche Desaster immerhin: Indem Tom seine Anweisungen tapfer auf Russisch radebrechte, gelangen ihm so komische Wortschöpfungen, dass ihm niemand seinen zuweilen etwas wichtigtuerischen Ton übel nahm.
    Nach einem erfrischenden Bad im Meer lag ich etwa zehn Meter vom Boot entfernt im Sand und genoss es, den anderen beim Arbeiten zuzusehen. Ein wenig fröstelte mich, denn die Sonne stand schon tief, und ein böiger Wind strich über meinen nassen Rücken.
    Toms Handlanger waren gerade damit beschäftigt, einen behelfsmäßig aus Brettern zusammengezimmerten Kiel am Bauch des Bootes zu befestigen. Als sie fertig waren, begutachtete Tom kritisch das Ergebnis und nickte endlich zufrieden. Danach schlug er großmütig vor, eine Pause einzulegen, wurde jedoch umgehend von seinen Mitarbeitern überstimmt, die der Meinung waren, dass sie für heute genug geschuftet hätten.
    Toms Proteste ignorierend, entschwanden die Jungen von der Nr. 12 und Sershan sogleich in Richtung Burgtor, während Ilja sich in meine Richtung verzog. Die Hände empört in die Hüften gestützt, blieb Tom neben seinem
Boot zurück wie ein Kapitän ohne Mannschaft, schüttelte missbilligend den Kopf und trollte sich dann von der Baustelle.
    Ilja ließ sich neben mir in den Sand plumpsen.
    »Warum gehst du nicht ins Wasser?«, fragte ich.
    »Ach … Keine Lust.«
    Melancholisch stocherte er mit dem nackten Fuß im Sand, bis eine kleine Grube entstand. Während er weiter wühlte, sickerte plötzlich trübes Wasser in den Hohlraum. Allem Anschein nach war es recht kalt, denn er fluchte und zog mit einem Ruck den Fuß heraus. Dann nahm er seine Brille ab und begann, mit einem Zipfel seines T-Shirts die Gläser zu polieren. Dass der verschwitzte, sandige Fetzen dazu geeignet sein sollte, die Sicht durch die Gläser zu verbessern, schien höchst zweifelhaft, trotzdem fuhr er eifrig damit fort. Er schien mir ein wenig verlegen zu sein.
    »Es wäre ein Risiko, jetzt zu baden«, erläuterte er beflissen, »denn es könnte passieren, dass man versehentlich zum Himmel schaut, und dann gute Nacht.«
    Damit hatte er gar nicht einmal unrecht. Die dritte und zweifellos auch dümmste Hauptregel des Großen Spiels besagte, dass man bei Sonnenuntergang nicht zum Himmel blicken durfte. Und eben in diesen Minuten war die Sonne dabei, am Horizont ins Meer abzutauchen.
    »Ilja, wie heißt das noch mal genau in den Regeln? Dass man nicht nach oben oder dass man nicht zum Himmel schauen darf.«
    »Nicht nach oben.«
    »Bist du sicher?«
    »Ganz sicher.«
    »Aber wozu nach oben schauen?«, fragte ich und deutete
mit einer Kopfbewegung auf die spiegelnde Wasserpfütze, die sich in Iljas Grube gebildet hatte. »Man kann doch auch nach unten schauen und trotzdem …«
    »Richtig!«, fiel er

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