Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)
schieben. Die Leute aus seinem Stab lachten, die Männer vom Geheimdienst aber nicht. Kerry wechselte schnell das Thema und meinte, dass ich einen guten Vizepräsidenten abgeben würde, und wir schwelgten in Erinnerungen darüber, wie wir 1972 den Vietnamkrieg stoppen wollten.
Es war das Jahr, als ich ihn zum ersten Mal traf, bei einem Aufstand in einer eleganten kleinen Straße gegenüber dem Weißen Haus. Er schrie etwas in ein Megafon, und ich versuchte gerade eine blutende tote Ratte über einen Zaun mit schwarzem Stacheldraht auf den Rasen des Präsidenten zu werfen.
Wir waren wütend und rechthaberisch in diesen Tagen, und wir waren einige Millionen. Wir kickten zwei hohe Regierungsbeamte aus dem Weißen Haus, weil es stupide Kriegsgewinnler waren. Wir besiegten Lyndon Johnson, und wir trampelten Richard Nixon nieder – was laut klugen Leuten unmöglich war, aber was soll’s? Es war ein Spaß. Wir waren Krieger damals, und unser Stamm war stark wie ein Fluss.
Dieser Fluss fließt noch immer. Alles, was wir tun müssen, ist rausgehen und wählen, solange es noch erlaubt ist. Und wir werden die lügnerischen Kriegstreiber aus dem Weißen Haus spülen.
Postskript: Brief von HST an JSW
11. März 1998
Hunter S. Thompson
Woody Creek
Lieber Jann,
bitte schick mir noch mal das Fax mit dem Playboy -Interview, das ich gerade von dir bekommen habe. Es ist nur eine Seite durchgegangen, und der obere Teil davon ist unlesbar.
Und aus welcher Ausgabe des Playboy ist das? Ich will für Joe [Eszterhas] arbeiten, & ich muss wissen, was er über mich in der Zeitung sagt.
Natürlich bin ich neugierig. Dich & Joe zu sehen, der im gleichen Absatz erwähnt wird, gibt mir einen atavistischen Kick. Meine Erinnerungen an diese Tage handeln vor allem von einer gewaltigen, überschäumenden Menge von Energie & Talent & Engagement, die mich (fast) hätte Amok laufen lassen, wenn auch nicht ganz. Es war so ähnlich, wie ins Fegefeuer eingeladen zu werden & herauszufinden, dass Feuer gerade dein Freund ist. Haha …
Aber wie heiß darf es sein, Bruder, bevor die Liebe verglüht?
Das war, glaube ich, die eigentliche Frage in diesen Tagen. Oder vielleicht ging es auch darum, wie viel Geld du verdient hast. Oder wie viel Spaß du hattest. Wer weiß? Einige Leute sind zu Asche verbrannt, wenn ich mich recht erinnere, andere entstiegen der Hitze als Helden (was mich daran erinnert, dass du mir immer noch einen Haufen Geld schuldest – und du weigerst dich, auch nur über die Bezahlung meiner jüngsten politischen Memos zu reden).
Wie auch immer, die wichtigste Erinnerung an diese Zeit ist die, dass alles, was wir machten, zu funktionieren schien. Oder fast alles. Was soll’s? Buy the ticket, take the ride, eh? Wie ein Vergnügungspark oder das Circus-Circus-Casino: Es hing von deiner persönlichen Definition von »annehmbarem Verlust« ab.
Ich weiß, dass John seine Tage beim Rolling Stone für eine komplette Verschwendung von Zeit & Talent hält, oder vielleicht sagt er das auch nur aus persönlichen Rachegelüsten. Manche Leute sind zu verrückt für ihr eigenes Wohlergehen. Ich aber nicht, Jann. Und ich sage danke für den Rausch.
Dein Buddy, Hunter
Danksagungen
Besonderer Dank gilt den Redakteuren des Rolling Stone , die – im wahrsten Sinne des Wortes – mit Jann Wenner im Schützengraben lagen, wenn Hunter seine Texte einreichte, oft gegen Mitternacht und später.
Der Mitherausgeber David Felton hat vermutlich mehr Thompson-Stunden hinter sich gebracht als jeder andere, angefangen von »Befremdliche Töne in Aztlan« über viele Berichte von der Wahlkampftour über Watergate bis zur bahnbrechenden zweiteiligen Reportage über Muhammad Ali. Gleiches gilt für den Redakteur Charles Perry, der den Mojo Wire bediente und in der San-Francisco-Phase jedes Wort von HST gegengelesen und in Form gebracht hat.
John Walsh, Chef vom Dienst, übernahm die Verantwortung für »Angst und Schrecken bei der Super Bowl«, Hunters Traumauftrag. Terry McDonell, ebenso Chef vom Dienst, lockte Hunter nach einer längeren Rolling Stone -Abstinenz mit dem Auftrag für eine Story über den sensationellen Scheidungsprozess von Roxanne Pulitzer. Chef vom Dienst Bob Love war der Erste, der die späteren Stücke von Hunter gelesen hat, allen voran »Angst und Schrecken in Elko«.
Ein spezieller Dank geht an Corey Seymor und Tobias Perce, die in den Neunzigern als seine persönlichen Assistenten Hunter draußen auf Tour begleiteten. Beide
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