Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)
einmal im Leben bekam.
Wir waren beide politisch sehr engagiert und von dem Ehrgeiz besessen, unserer Auffassung von der Lage der Nation Ausdruck zu verleihen (daher auch die Bezeichnung »National Affairs Desk«). Und so wurden wir auch auf diesem Gebiet Partner, so verrückt es damals auch erscheinen mochte, dass ein Rock-’n’-Roll-Magazin und ein Mann, der über Rockerbanden schrieb, auf einmal mit gemeinsamen Kräften daran arbeiteten, das Land zu verändern. Wir lasen laut vor, was er gerade geschrieben hatte, feilten an Sätzen und Formulierungen, um anschließend in Begeisterung auszubrechen – »Verdammte Scheiße, verschärfter geht’s ja wohl nicht«. Es war atemberaubend, einzigartig und machte einen Riesenspaß. Er war mein Waffenbruder.
Das alles ist mittlerweile Vergangenheit. Und ich habe nach wie vor das Gefühl, dass ich ihm etwas schuldig bin und dass meine Arbeit für ihn noch nicht zu Ende ist. Ich komme nicht dagegen an. Und das ist der Grund, warum wir nun einen weiteren Schwung seiner Arbeiten veröffentlichen.
Nach Hunters Tod haben wir eine Sonderausgabe des Rolling Stone herausgegeben, in der nahezu hundert seiner Freunde, Kollegen und Mitverschworenen mit kurzen Erinnerungen und Fußnoten zu Wort kamen. Wir brauchten für diese Ausgabe zehn Tage, während derer ein halbes Dutzend Redakteure rund um die Uhr arbeitete, um das Heft trotz übelstem Termindruck unter Dach und Fach zu kriegen – genau wie früher haben wir uns abgerackert bis zum Gehtnichtmehr, um Hunter S. Thompson einen letzten Dienst zu erweisen. Und auch dieses Mal waren wir völlig gefangen von der Magie, die er noch immer verströmte und die sogar jene in der Redaktion erfasste, die ihm noch nie begegnet waren.
Diese Sonderausgabe ist auch als Buch erschienen, Gonzo: The Life of Hunter S. Thompson , eine mündliche Überlieferung mit 150000 Wörtern Umfang, die bis heute als die Biografie Hunter S. Thompsons gilt, unverzichtbar zum tieferen Verständnis des Lebens und Wirkens dieses Mannes. Ich habe jedes einzelne Wort dieses Buches redigiert – und dies mit großer Hingabe.
Ich war immer der Auffassung, dass Hunter seine Autobiografie in gewisser Weise schon im Rolling Stone zu Papier gebracht hatte und dass, wenn man seine gesammelten Werke entsprechend redigierte, sich daraus von selbst ein Erzählstrang ergeben würde, der dem Leser einen Eindruck von Hunters wildem, aufregendem Leben vermittelte, denn schließlich war er selbst seine größte Schöpfung, wenn es um literarische Figuren ging.
Diese Auffassung stand im Zentrum der Überlegungen, die ich gemeinsam mit Paul Scanlon anstellte, als wir uns daranmachten, dieses Buch zusammenzustellen. Paul war schon während meiner Jahre in San Francisco meine rechte Hand und verantwortlicher Redakteur. Er ist mit den Arbeiten für den Rolling Stone bestens vertraut und seine redaktionelle Arbeit war stets von großer Sorgfalt und Geschmackssicherheit geprägt – insofern war es naheliegend, ihn zur Zusammenarbeit bei der Herausgabe von Hunters gesammelten Arbeiten für den Rolling Stone hinzuzuziehen.
Wir haben darüber hinaus einige Briefwechsel zwischen Hunter und mir (wobei es sich um einen sehr kleinen Teil unserer Korrespondenz handelt) mit einfließen lassen sowie ein paar seiner überaus geistreichen – und manchmal haarsträubenden – Memos an die Mitarbeiter, um auf diese Weise seinem Schaffen eine weitere Ebene hinzuzufügen und es um eine geschmackliche Note zu bereichern. Hunter führte ein aufregendes Leben, geprägt von Genie, Talent und Engagement. Ich hoffe, dies spiegelt sich auf den folgenden Seiten.
Einleitung
Paul Scanlon
Meine erste Begegnung mit Hunter S. Thompson fand 1971 statt. Ich hatte keine Ahnung, wer mir da gegenübertreten würde. Ich war vertraut mit seinem Schaffen, hatte selbstverständlich im Rolling Stone den wunderbaren Bericht über seinen Wahlkampf um das Amt des Sheriffs von Pitkin County (Aspen), Colorado, gelesen und davon gehört, dass er in Los Angeles gewesen war, um an einem Artikel über die Ermordung des Journalisten Ruben Salazar zu schreiben. Gleichzeitig kursierten – sehr vage – Gerüchte, dass er an irgendeiner Geschichte über Las Vegas arbeiten würde. Und dann spazierte er an einem wunderbaren Frühlingstag in die Redaktionsräume des Rolling Stone in San Francisco. Von da an war nichts mehr so, wie es einmal gewesen war. Weder für mich noch für den Rolling Stone.
Für einen progressiv
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