Die Romantherapie: 253 Bücher für ein besseres Leben (German Edition)
vielversprechende – Name »Tristram« wird, sieht er seine Zukunftsaussichten schwinden.
Vielleicht ist all das der Grund für Sternes unbändige Prosa – eine leere Seite, damit der Leser sich ein eigenes Bild von Onkel Tobys Geliebter, der Witwe Wadman, machen kann; Sternchen, die den Leser dazu einladen, sich selbst auszudenken, was eine Figur an dieser Stelle wohl denken mag; und eine vollkommen schwarze Seite, um den Tod von Pastor Yorick zu betrauern. An einer Stelle gibt es sogar eine Reihe schnörkeliger Kreise, die Tristrams erzählerische Exkurse verbildlichen sollen.
Wir garantieren Ihnen, er wird Sie in seinen Bann ziehen. »Die Digressionen sind unleugbar der Sonnenschein – sie sind das Leben, die Seele des Lesens«, erklärt Tristram am Anfang seiner Geschichte. Und wir stimmen ihm da voll und ganz zu. Unterbrechen Sie Ihre Lektüre unseres Buches für eine Weile und nehmen Sie sich stattdessen einmal Tristram Shandy zur Hand, nur für ein Kapitel. Nach ein paar Seiten ist es vielleicht Zeit für eine Tasse Tee. Und dabei könnten Sie auf den Gedanken kommen, einen kleinen Spaziergang zu machen. Womöglich vergessen Sie sogar, dass Sie eigentlich dieses Buch hier lesen wollten. (Das geht schon in Ordnung, das können Sie dann irgendwann mal nachholen, während Sie eigentlich etwas ganz anderes tun wollten.) Eine Abschweifung am Tag hält den Arzt fern – und das gilt auch für Tristram Shandy .
▶ Durchlesen; Zwang, jedes Buch zu Ende lesen zu müssen
▶ Ehrfurcht vor Büchern, übermäßige
▶ Humorlosigkeit
▶ Organisiert sein, übermäßig 38
Angst
Bildnis einer Dame
Henry James
Angst ist wie ein Blutegel, der einem die Energie, das Selbstvertrauen und die Chuzpe aussaugt. Anders als Frust, einem typischen Stresssyndrom ( ▶ Stress ), ist Angst durch ein ständiges Gefühl des Unbehagens und der Unsicherheit gekennzeichnet und sowohl eine Reaktion auf äußere Umstände als auch eine grundlegende Gemütsverfassung. Während die äußeren Einflüsse keinerlei Kontrolle unterliegen, kann die Reaktion darauf – Lachen oder tief Luft holen (wobei Ersteres zu Letzterem führt) – zumindest zeitweise Erleichterung bringen und helfen, sich ein wenig zu entspannen. Je nachdem, was Sie in diesen Zustand versetzt hat, sind manchmal ein herzhaftes Lachen, in anderen Fällen tiefes Durchatmen oder bewusste Entspannung die beste Medizin. Gut, dass unsere Therapie alle drei Möglichkeiten einschließt.
Von den vierzehn Ursachen für Angstzustände, die wir bislang identifizieren konnten, 4 können Leidende in zehn dieser Fälle allein im ersten Kapitel von Henry James' Bildnis einer Dame Linderung erfahren. Bei der Schilderung des zivilisierten und heiteren Zeremoniells des englischen Nachmittagstees »auf dem Rasen eines alten englischen Landsitzes« – in der milden Luft des Nachmittags, mit langen Schatten, die über den Rasen fallen, Teetassen, die »dicht [am] Kinn« gehalten werden, farbenprächtigen Teppichen, Sitzpolstern und Büchern, die auf dem Gras im Schatten der Bäume liegen – wird die unterschwellige Einladung, innezuhalten und selbst eine Tasse Tee zu genießen (hilfreich in den Fällen 2, 3, 4, 7, 10, 11, 12 und bestimmten Ausprägungen von 41 13), durch James' ruhige, elegante Prosa noch unterstrichen. Seine Sprache ist ein wahrer Balsam für die durch alle oben genannten Ängste geplagte Seele und bietet sogar erste Ansätze einer vollständigen Heilung der Angstzustände, die Nummer 8 hervorrufen kann.
Wenn wir sagen, dass James' Prosa wie Butter üppig auf die Seiten gestrichen ist, dann meinen wir damit nicht, dass sie geschwollen klingt, sondern vielmehr cremig – wie gesalzene Butter, ja, das ist es. Denn die Annehmlichkeiten seiner Sprache wie die des Tees werden durch James' Dialoge mit ihrer Aufrichtigkeit und ihren geistreichen Bemerkungen (ein Heilmittel für Fälle 1-4 sowie für Fall 7) noch perfektioniert. Das heitere Geplänkel unter den drei anwesenden Männern – dem älteren, sitzenden, amerikanischen Bankier Mr. Touchett, seinem »hässliche[n], kränkliche[n]«, aber charmanten Sohn Ralph und dem »auffallend gut aussehende[n]« Lord Warburton mit seinem durch und durch englischen Gesicht – ist immer darauf ausgerichtet, anderen ein Lächeln zu entlocken, und die Männer scheuen nicht davor zurück, sich gegenseitig ein wenig zu necken (so wie Lord Warburtons eindeutig unenglische Bemerkung über Mr. Touchetts Reichtum). Frei von den Fesseln
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