Die Romantherapie: 253 Bücher für ein besseres Leben (German Edition)
Tolkien , gelesen von Achim Höppner
Lethargie
Himmel über der Wüste
Paul Bowles
Don Quijote
Miguel de Cervantes Saavedra
Vielleicht haben Sie es ja sogar aus dem Bett geschafft, aber Ihr Schritt ist trotzdem so federnd wie der eines schwangeren Nilpferds. Wenn körperliche und mentale Lethargie Sie überwältigt und Sie frei von jeglicher Motivation Ihre schweren Glieder durch die Gegend schleppen, ist ein Zustandswechsel bekanntermaßen schwer. Denn um Lethargie zu bekämpfen, brauchen Sie Energie – aber woher soll der für die Überwindung der Trägheit notwendige Energieschub bloß kommen?
Der erste Teil unseres zweistufigen Kräftigungsprogramms verlangt von Ihnen zunächst, in ein Bewegungslosigkeit und Lethargie förderndes Setting einzutauchen. Paul Bowles unnachahmlicher Roman Himmel über der Wüste – geheimnisvoll, schwer und dräuend, sehr dicht und voller düsterer Vorahnungen – ist eine geeignete Umgebung. Port, seine Frau Kit und ihr »erstaunlich hübscher« Freund Tunner – allesamt 213 US -Amerikaner, die ihr Heimatland zwar meiden, aber auch noch nichts Besseres gefunden haben – lassen sich durch die nordafrikanische Wüste treiben. Als seltsam kontur- und ruhelose Gruppe verbringen sie ihre Tage meistenteils damit, sich, den Einheimischen und jeder wirklichen Auseinandersetzung mit ihrem Leben aus dem Weg zu gehen. Immer, wenn sie auf Araber treffen, scheint eine unbestimmte Bedrohung in der Luft zu liegen – dunkle, lauernde Gestalten, denen nicht über den Weg zu trauen ist. Von unsichtbaren Händen werden Steine geworfen, Portemonnaies werden beinahe gestohlen. Und so reist das Trio ohne klares Ziel immer weiter, einen unheilschwangeren Wind im Rücken und einen »blendend weißen Himmel« über dem Kopf.
Kit funktioniert am allerwenigsten. Sie hat Tage, an denen sie derart von prophetischen Unheilsgefühlen erfüllt ist, dass sie alle zuvor vielleicht gehegten Pläne ad acta legt. Tunner mit seinem nichtssagenden Äußeren langweilt sie, seinen morgendlichen Gruß empfindet sie als »aufreizend munter«. Unterdessen ist für ihren Ehemann Paul eine »unendliche Traurigkeit« im Kern seines Daseins die einzige Gewissheit – immerhin beruhigend, weil vertraut. Als Port eines Tages zu Kit sagt: »Es ist keinem von uns bisher gelungen, wirklich zu leben«, trifft sie den Nagel auf den Kopf. Ihre Existenzen sind wie Petrischalen, in denen Lethargiebakterien gedeihen: Bakterien voller Mattigkeit, Unsicherheit und Fremdheitsgefühlen. Nehmen Sie sich selbst genau unter die Lupe und fragen Sie sich, ob es diese Petrischalen in Ihrem Leben auch gibt.
Die zweite Hälfte unserer Therapie, die Ihrem Körper einen quasielektrischen Schock versetzen wird, muss sofort begonnen werden, wenn Sie die letzte Seite von Himmel über der Wüste umgeblättert haben. Cervantes' liebenswürdiger, begeisterungsfähiger Don Quijote – der sich als fahrender Ritter geriert, sich ganz seinen äußerst vornehmen Romanzen ergibt und die ganze Nacht über wach bleibt, um zu lesen – ist all das, was die Charaktere in Himmel über der Wüste nicht sind. Er steht früh auf, steigt in die aufpolierte Rüstung seines Großvaters und macht sich auf die Suche nach 214 Abenteuern – ein in Bedrängnis geratenes Burgfräulein, das es zu erretten und zu lieben, ein Bösewicht, den es mit der Lanze zu durchbohren gilt. Wie sollte sich hier die Lethargie einnisten? Fürwahr, wir würden behaupten: Niemals! Während Bowles' Null-Bock-Amerikaner das Geheimnis und die Schönheit der Wüste derart als unberechenbar und absonderlich herabsetzen, dass sie ihnen emotional nichts anhaben kann, verwandelt Don Quijote einfache Kneipen am Wegesrand in silbrig bezinnte Schlösser und Windmühlen in eine Armee von Riesen. Er tut all das mit einer unbändig beschwingten, fröhlichen Herangehensweise, die immun ist für die Warnungen seines treuen Knappen.
Nehmen Sie dieses Buch unverdünnt ein, so, wie es voller Tatendrang, atemlosem Schwung und ritterlichem Ruf zu den Waffen und zur Minne aus Cervantes' Feder quoll. Ein elektrisierenderes – und dabei ganz legales – Elixier für träge, verlangsamte Menschen hat die Literatur nicht zu bieten.
▶ Bett; Unfähigkeit es zu verlassen
▶ Ehrgeiz, zu wenig
▶ Langeweile
Libidoverlust
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