Die Rose der Highlands
Drummonds einen Überfall machen«, sie lachte auf, »dann rauben sie das Vieh, das drüben im Tal weidet, oder unsere Schafe, aber doch keine Reiterin.«
Sie beugte sich aus dem Sattel und flüsterte Ian zu: »Du solltest dir weniger Gedanken über mich machen, mein Sohn, und dafür mehr über deine Geburtstagsüberraschung.« Sie lächelte verheißungsvoll. »Ich gebe sie dir, wenn ich zurückkomme.«
Sie trieb ihr Pferd an und preschte über die Landbrücke, die Gilmuir mit dem Tal verband. Drüben angekommen, machte Moira halt und winkte Ian zu. Seine Mutter ritt besser als alle, die er kannte, sein Vater eingeschlossen, und es war ein vertrauter Anblick, sie frühmorgens mit wehendem Haar dahinfliegen zu sehen.
Er winkte zurück und wandte sich dann seinen Freunden zu, konnte es kaum erwarten, den Burghof zu verlassen. Leitis würde er erst einmal aus dem Weg gehen, entschied er, dann hätte sie Zeit, sich zu beruhigen.
»Wollen wir angeln?«, fragte er.
»Ich habe eine andere Idee«, sagte Fergus grinsend. »Wir weihen dich in ein Geheimnis ein.«
»Du meinst die Treppe?« James bedachte seinen Bruder mit einem tadelnden Blick.
»Welche Treppe?«
James versetzte Fergus einen heftigen Rippenstoß. »Hast du vergessen, dass wir nicht darüber reden dürfen? Wir mussten es dem Laird versprechen!«
»Aber Ian ist sein Enkelsohn«, hielt der Jüngere dagegen.
Ian schaute von einem Bruder zum anderen. »Welche Treppe?«, wiederholte er.
Die beiden Jungen fixierten einander kriegerisch.
»Wenn wir Ärger bekommen, sage ich, dass es meine Idee war«, bot Fergus schließlich an.
James’ Augen verengten sich. »Du weißt, was er dann sagen wird: Ein Mann muss seine Versuchungen abwägen und den Preis bedenken, den er für jede Sünde bezahlt.«
»Wir lassen Ian einen Eid leisten. Gib mir dein Messer, James«, befahl Fergus dem Älteren mit einer Selbstverständlichkeit, die Übung verriet.
James schüttelte den Kopf und reichte ihm widerstrebend sein Messer, den Griff nach vorne.
Ian streckte seinem Freund die offene Hand hin, denn er wusste, was jetzt kommen würde: Fergus’ Version des MacRaes Eides, bindend, sobald Blut geflossen war.
»Schwöre bei allem, was den MacRaes heilig ist, dass du keiner Menschenseele verraten wirst, was wir dir gleich zeigen werden«, flüsterte Fergus mit feierlicher Miene.
»Ich schwöre es«, tat Ian wie geheißen und nickte dazu, um sein Gelöbnis zu unterstreichen. Zufrieden mit seinem kurzen Schwur, nickten James und Fergus ihrerseits.
Ian schärfte sich ein, nicht zu zucken, als sein Freund ihm in die Haut unterhalb seines Daumens schnitt. Es war ein irritierend starker Schmerz, doch er versuchte, ihn zu ignorieren, ließ den Arm hängen und das Blut auf den Stein tropfen.
Fergus gab seinem Bruder das Messer zurück und ging ihm und Ian voran durch den Hof.
Gilmuir, der Stammsitz der MacRaes, erhob sich drei Stock hoch bis zu einem Giebeldach. Der Putz der Mauern war im Lauf der Jahre so dunkel geworden, dass die Trutzburg wie ein Teil der Landschaft wirkte. Sie thronte auf einem hohen Felsvorsprung, der in den Loch Euliss hineinragte. Auf drei Seiten von Wasser umschlossen, bestand die einzige Verbindung zum Tal in einer breiten Landbrücke.
Die niedrigen Gebäude, die sich um Gilmuir drängten, beherbergten die verschiedenen Handwerksbetriebe, die der Clan benötigte. Neben der Zimmerwerkstatt befand sich die Schmiede, und in ihrer Nähe lagen die Stallungen.
Die drei Jungen kannten sich überall dort bestens aus. Fergus würde Schmied werden, während James Zimmermann lernte. Aber in den Wochen, die Ian in Schottland verbrachte, brauchten sie nicht in die Lehre zu gehen und keine schwerere Arbeit zu verrichten, als dem Enkel des Grundherrn Gesellschaft zu leisten.
Fergus steuerte auf keines der Nebengebäude zu, sondern auf das alte Priorat. Es hieß, dass das kleine Kloster lange bevor sich der erste MacRae vor nahezu dreihundert Jahren hier niedergelassen hatte, erbaut worden war. Der Überlieferung nach war die Halbinsel das Refugium eines Heiligen und ein Wallfahrtsort gewesen.
Die MacRaes hatten im Lauf der Jahre die Backsteinmauern des Klosters abgestützt und das Dach erneuert. Die Bogenfenster waren mit Läden verschlossen worden, doch bei schönem Wetter, wie heute, blieben sie offen, und Sonnenlicht fiel hindurch und erhellte das höhlenartige Innere.
Vom See wehte Wind herein, heulte drohend durch die offenen Bögen, als wolle er die Jungen
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