Die Rose von Angelâme (German Edition)
diese Zeichen verstehen, falls es keine Eingeweihten mehr gibt“, kam Christina auf ihren ursprünglichen Gedankengang zurück. „Wieder die Geheimen Bruderschaften, nehme ich an.“
Signore Benetti nickte anerkennend. „Sie dürfen allerdings davon ausgehen, dass die Gegenspieler dieser Bruderschaften niemals aufgegeben haben, das Geheimnis der Rose zu lüften. Ich vermute, dass Ihre Auftraggeber in deren Reihen zu finden sein werden“, wandte Benetti sich an Daniel.
„Scheint so“, antworte jener resigniert.
Christina wiegte den Kopf, ohne Daniel auch nur eines Blickes zu würdigen. „Verstehe ich das richtig, dass Roses Tochter ihr Erbe in Angelâme quasi als Entschädigung dafür antreten durfte, den Thron aus den bekannten Gründen nicht besteigen zu können, der rechtmäßig ihr gehört hätte? Möglicherweise hat sie nie um ihre wahren Ansprüche gewusst, und es lässt sich vermutlich nicht mehr ergründen, ob diese Vermutung stimmt, da wir nicht wissen, wer davon wusste.“ Christina hielt erneut einen Augenblick lang inne, um nachzudenken, dann fuhr sie fort: „Das Haus Angelâme war und ist demnach so lange heimlicher Träger dieses unfassbaren Erbes, bis eines Tages ein männlicher anstelle eines weiblichen Nachfolgers die Linie durchbricht. Die Tochter, die diesem Mann geboren wird, ist diejenige, die den französischen Thron besteigt.“
„Wie das?“, wollte Daniel wissen.
„Erinnern Sie sich nicht an die Prophezeiung? Ich erinnere mich ungefähr so an den Text: Generationen um Generationen waren und werden kommen und gehen, und eines Tages, wenn die Linie durchbrochen ist, wird dein Blut in den Adern einer Frau fließen, die erfüllt, was erfüllt sein soll.“
„Es gibt keinen französischen König mehr!“, warf Daniel ein.
„Es könnte sich dabei auch um die Weltherrschaft handeln“, gab Signore Benetti zu bedenken.
„Wieso Weltherrschaft?“
„Weil ein Nachkomme der Maria von Magdala nicht nur über Frankreich regieren dürfte, sondern über die ganze Welt.“
„Dann hätten ja de Nogaret und Guillaume Imbert, Bertrand de Got, und wie sie alle hießen, gar nicht mal so daneben gelegen mit ihren Vermutungen“, sinnierte Simon, der inzwischen in den alten Dokumenten blätterte.
„Ihre Familie begleitete diesen Stamm nicht nur, weil sie aus denselben Wurzeln kamen - Männer aus ihr gehörten auch zu den Eingeweihten, nicht wahr? Deshalb durfte bereits Ihr Vorfahre seinen Wein an den Klerus liefern!“, mutmaßte er.
Daniel holte tief Luft und sah von einem zum anderen „Natürlich! Auch der Kirche war und ist bekannt, wer jenem heiligen Stamm angehörte und wo sich ihre Angehörigen aufhielten. Man behielt sie vorsichtshalber im Auge, und das nirgends besser als in unmittelbarer Nähe. Aber man traute sich nicht, ihnen auch nur ein Haar zu krümmen, um Konflikte zu vermeiden, nicht wahr?“, wandte er sich an die beiden Italiener.
„Davon können Sie getrost ausgehen“, pflichtete Pedro Benetti ihm bei. „Es hat sich bis heute nicht geändert, wie Sie sehen.“ Er machte eine bedeutungsvolle Geste, die den Raum einschloss, in dem sie sich befanden.
„Möglicherweise verlor sich das Wissen um den Hintergrund der Angelâmes im Laufe der Jahrhunderte ein wenig, und ganz sicher vertuschte die Kirche auch eine ganze Menge von dem, was sie wusste, weil sie um ihre Existenz fürchtete.“ Daniel war aufgestanden und zu ihnen herüber gekommen. Er betrachtete das aufgeschlagene Buch.
Signore Benetti stimmte ihm zu: „Die Nachfolger der Maria aus Magdala wären auch die rechtmäßigen Erben dessen, was sich auf Umwegen aus ihren und den Lehren ihres Meisters entwickelt hat: der Kirche. Falls sie an ihr überhaupt Interesse hätten. Vergessen wir nicht: Jesus war und blieb bis zu seinem Tod ein Jude.“
„Wenn es anerkannte Nachkommen gegeben hätte, wäre wohl die Kirche nicht in der Form entstanden, wie sie entstanden ist, meinen Sie das?“, mutmaßte Simon. „Die Kirche konnte demnach kein Interesse daran haben, diesen Sachverhalt öffentlich zu machen, sollte er zutreffend sein.“
„Ich weiß aus sehr sicheren Quellen, dass die Kirche seit vielen Jahren verschweigt, was außer dieser Rose noch andere ihrem jeweiligen Vater anvertraut haben, wie sie den Papst seit Jahrhunderten nennen. Visionen, die in den Archiven des Vatikans vor sich hinschlummern und niemandem zugänglich sind. Warum?“ Er schaute sie der Reihe nach an. „Es kamen und gingen viele Päpste,
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