Die Rose von Byzanz
ihn.
Freya würdigte ihn keines Blickes. „Ich möchte dich um etwas bitten.“
Johanna runzelte die Stirn.
„Verstehst du, was ich sage?“
„Lass mich doch helfen“, mischte sich Hallgrim wieder ein.
„Was denn, wenn sie zu blöd ist, unsere Sprache zu beherrschen, unterstützt du sie auch noch?“
„Sie lernt erst.“
„Also bitte. Sag ihr, ich möchte, dass sie heute Nacht bei dir bleibt.“ Sie warf den Löffel in die Suppe, verschränkte die Arme.
Hallgrim übersetzte. Die rothaarige Frankenhexe schien überrascht, doch sie nickte.
„Und was tust du derweil?“, fragte Hallgrim.
Freya zögerte. Sie trat an sein Bett und nahm seine magere Hand, die sich in ihrer trocken anfühlte. „Verzeih, Liebster. Ich habe seit Wochen nicht durchgeschlafen, und da ihr euch gut versteht, dachte ich, sie könne uns diesen Gefallen erweisen.“ An Johanna gewandt murmelte sie: „Danke.“
Sie nickte.
Ein letztes Mal strich Freya über Hallgrims Wange, erwiderte sein Lächeln und verließ fluchtartig die Kammer.
Aber schon vor der Tür nahm die Freude überhand. Sie war frei – diese Nacht gehörte Eirik und ihr.
15. KAPITEL
Sie schlich zur Tür und lauschte.
Nichts.
Verdammt sollst du sein mit deiner Sklavenhure, Eirik Hallgrimsson.
Auf und ab lief sie. Verharrte erneut an der Tür. Ihre Hand ruhte auf dem Riegel, aber nein, sie würde sich jetzt nicht entblöden, die Tür zu öffnen. Käme er ausgerechnet in diesem Moment, wie sähe das aus? Dass sie ihn sehnsüchtig erwartete?
Es kam der Wahrheit gefährlich nahe.
Der Sieg schmeckte blass und verdarb ihr den Appetit.
Sie sank aufs Bett. Wieso kam er nicht? Hatte sie das blaue Kleid vergebens angezogen? Hätte sie ihn nackt unter den Decken erwarten sollen, wäre er dann gekommen?
Die Nacht schritt unerbittlich voran. Sie erlaubte sich, die Augen zu schließen, aber dann krallte sich die Müdigkeit in ihre Glieder und lockte mit der Wärme des Schlafs. Wieder stand sie auf, lief unruhig auf und ab. Sie löste sogar das Pergament vom Fenster, schob den Fensterladen beiseite und spähte hinaus. Still fiel der erste Schnee des Jahres und deckte alles zu. Schritte und Rufe wurden gedämpft, die Stadt verfiel in friedliches Schweigen.
War Eirik unten in der Halle? Nein, bestimmt nicht. Ihre Worte waren unmissverständlich gewesen: Sie erwartete ihn in ihrer Kammer.
Nur einen Moment die Augen schließen.
Sie legte sich auf das Bett. Lauschte ihren Atemzügen. Fast vermeinte sie, den Schnee fallen zu hören. Ihre Hände zogen die Decke über ihren Körper, es wurde kalt in der Kammer. Sie musste schleunigst die Fensterlade schließen, sonst …
Ein leises Klopfen ließ sie aufschrecken.
Endlich.
Sie richtete sich auf, strich mit beiden Händen über ihr Haar. Sie wünschte sich ihren Bronzespiegel, um ein letztes Mal zu überprüfen, ob sie gut aussah.
„Herein!“, rief sie und kam sich etwas albern vor. Sie stand auf, er sollte nicht denken, sie hätte ihn erwartet.
Die Tür öffnete sich. Sie trat ans Fenster, hakte das Pergament aus, um die Lade zu schließen.
„Ich habe schon gedacht, du kommst nicht mehr“, meinte sie munter.
„Wir haben es schließlich versprochen.“
Freya fuhr herum. In der Tür stand nicht nur Eirik – sondern auch Johanna.
„Was will sie hier?“, fragte sie an Eirik gewandt.
Er trat ein, schloss die Tür hinter ihnen und legte beschützend den Arm um Johannas Schulter. „Du hast uns eingeladen. Also sind wir hier.“
„Aber …“ Freyas Gedanken rasten. Sie hatte Eirik eingeladen, ja, aber doch nicht die rote Hexe! Neben ihr konnte Freya kaum bestehen; sie kam sich plötzlich schäbig vor. Alt und verbraucht.
Johanna trat vor. „Du willst ihn heute Nacht. Ich gebe ihn dir, aber ich möchte dabei sein.“ Sie zögerte, ehe sie flüsterte: „Ich möchte mitmachen.“
Ihr Nordisch war gar nicht mal so schlecht, dachte Freya. Sie lernte schnell. „Das kommt überhaupt nicht infrage!“, protestierte sie rasch.
„Warum nicht?“ Jetzt machte auch Eirik einen Schritt auf sie zu. Freya wich zurück. Sie spürte das Bett hinter sich. Kein Ausweg. Die beiden versperrten die Tür, hinter ihr waren nur das wuchtige Bett und zwei winzige Fensterluken, durch die sie kaum entschlüpfen konnte. Kein Entkommen.
Sie war den beiden in die Falle gegangen.
„Weil … ich dachte …“
„Du hast geglaubt, ich würde Johanna nichts davon erzählen? Ach, Freya.“ Eirik lächelte spöttisch. „Du kennst mich
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