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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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alter spießbürgerlicher Hufschnitzer mit dem Braunen fertig wird, und bin deshalb gar nicht mitgegangen. Auf Deine Ueberzeugung hin aber wollen wir uns den Mann einmal ansehen. Gehen die Herren mit?«
    Sämmtliche Offiziere erhoben sich und folgten der Aufforderung des Rittmeisters; doch war bei dem Gang durch die Gassen des Städtchens ihre reservirte Haltung gegenüber dem Junker noch hervortretender als innerhalb der vier Wände des Schenkzimmers. Erst an der Spitze der kleinen Gesellschaft, kam er bei jedem Schritte weiter zurück und schritt endlich allein und unbeachtet hinter den Andern her.
    Da plötzlich tönte ihnen lautes Schreien und Hülferufen entgegen; im Laufschritt bogen sie um die Ecke, konnten aber vor der Menge der zusammen gelaufenen Soldaten und Bürgersleute die Ursache des Tumultes nicht eher erkennen, als bis sie sich durchgedrängt hatten. Da lag denn der Reitknecht jämmerlich zerschlagen und zertreten am Boden; der Schmied, welchen das Pferd an die Mauer geschleudert hatte, lehnte leise wimmernd am Thürpfosten, und eine ganze Schaar Cavalleristen hing am Braunen, der schäumend mit ihnen auf und nieder ging.
    Die Andern alle hatten sich vorsichtig zurückgezogen und bildeten einen dichten Kreis um die Scene, außerhalb dessen Einer stand, der den Vorgang mit noch lebhafterer Spannung verfolgte als die Näherstehenden. Es war der Handwerksbursche, welchen wir im vorigen Capitel kennen gelernt haben. Das wüthende Thier und die Bemühungen seiner Bändiger schien er vollständig zu ignoriren; sein Auge haftete nur auf dem Rapphengste, welcher, von einem Soldaten gehalten, ruhig und theilnahmlos bei Seite stand, und flog zuweilen empor zu den oberen Fenstern der Schmiede, wo zwei Frauenköpfe ängstlich durch die Scheiben lugten.
    Den Bemühungen der Offiziere gelang es endlich, das Thier zu beruhigen; der Reitknecht wurde aufgehoben und fortgetragen, und der Rittmeister wandte sich zum Schmied.
    »Nun, Meister, wie steht’s? Habt auch Ihr Schaden genommen?«
    »Ich glaube nicht, eine Quetschung; es sah schlimmer aus, als es ist. Aber einen solchen Teufel von Pferd hab ich auch noch nicht unter den Händen gehabt, und der Bursche hat mich nicht vorher aufmerksam gemacht.«
    »Na, laßt’s gut sein und ärgert Euch nicht, es ist Andern auch schon so gegangen. Hier habt Ihr ein Trink-und Schmerzensgeld.«
    Weißpflog griff nach der unerwarteten Gabe, zog aber auf halbem Wege die Hand wieder zurück, weil er sich von der andern Seite her angeredet hörte. Er drehte sich um und vor ihm stand, die Mütze ehrerbietig in der Hand, der Handwerksbursche.
    »Gott zum Gruß und Glück und Segen in’s Geschäft, Herr Meister!«
    »Danke! Was ist Dein Begehr?«
    »Ich bin ein wandernder Gesell der löblichen Zeug-, Huf-und Waffenschmiede und komme, das Handwerk zu begrüßen. Ich bin weit und viel gereist, um Etwas zu lernen und einst ein tüchtiger Meister zu werden, und da ich gestern erfahren habe, daß Ihr der erste und geschickteste Beschläger in der weiten Umgegend seid, so bin ich gekommen, mich in dieser Fertigkeit zu üben und von Euch Unterweisung zu erbitten.«
    Trotz des wohlgefälligen Lächelns, welches diese wohlgesetzte Anrede auf die geschwärzten Züge des Schmiedes gelockt hatte, warf dieser doch einen mißtrauischen Blick auf die defecte Kleidung des Gesellen.
    »Würdest nicht viel lernen können bei mir; hast ja wohl selbst gesehen, wie mich der Braune da maltraitirt hat. Und Deinem Habitus und Deiner Schneiderfigur nach scheinst Du mir eher ein Luftspringer als ein rechtschaffener Hufschmied zu sein.«
    »Möglich!«
    Das Wort wurde zwar in ehrerbietigem Tone gesprochen, aber von einer Handbewegung begleitet, in welcher sich das abweisendste Selbstgefühl aussprach. Der Sprecher wandte dem Meister den Rücken und drehte sich zu den Offizieren.
    »Will der Herr Rittmeister mir den Braunen anvertrauen?«
    »Bursche, wo denkst Du hin? Der macht Dich todt!«
    »Möglich!«
    Jetzt klang das Wort halb spottend, halb wegwerfend, und in demselben Augenblicke lagen auch Felleisen, Rock, Weste und Mütze am Boden; die Hemdärmel wurden nach innen aufgestreift und ein Schurzfell hervorgezogen.
    »Der Herr Meister hat wohl Feuer auf dem Heerde?«
    »Es wird wohl noch brennen.«
    »Gut. Ich will erst ein Wort mit dem Pferde sprechen, dann gehen wir an’s Werk.«
    »Halt!« rief der Rittmeister, »lege das Schurzleder ab. Wenn es Dich als Schmied erkennt, darfst Du gar nicht

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