Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten
Unsereiner etwas wünscht, so giebt es keinen Gegenwillen. Des Kurfürsten Rock wird Dir prächtig stehen und ist übrigens eine Ehre für einen Burschen, der auf Natursohlen läuft!«
»Ah!« – –
Es war derselbe Laut, den er am Vormittage gegenüber dem Blauweißen ausgesprochen hatte, voll Verachtung, Spott und Geringschätzung. Sein Auge flog hinüber zum Rapphengste, welcher beim Klange seiner Stimme die Ohren spitzte, und haftete dann mit herausforderndem Blicke auf dem drohenden Offizier.
»Und was willst Du jetzt machen, wenn ich Dich greifen lasse und mit mir nehme?«
»Eure Schwadron, meinetwegen auch Euer ganzes Regiment vernageln, wenn Ihr mich zwingt. Doch so weit wird es nicht kommen, dafür stehe ich!«
»Wieso?«
»Ihr wollt mich mit Gewalt zur Fahne, und der Gewalt setze ich Gewalt entgegen. Wer mich anrührt, dem geht’s wie dem Braunen da. Pasta, abgemacht!«
Mit über die Brust gekreuzten Armen stand er da und musterte mit überlegenem Lächeln seine Umgebung. Da trat der Junker, welcher gleich vom ersten Augenblicke an den Gesellen mit neidischem und wuthblitzendem Auge beobachtet hatte, zu den Offizieren und flüsterte ihnen einige Worte zu. Darauf entspann sich eine leise geführte Unterhaltung, von welcher nur die letzte Bemerkung des Rittmeisters hörbar wurde:
»Abgemacht, ich verlasse mich auf Dich!«
Dann trat der Sprecher mit rascher Wendung auf den Gesellen zu.
»Gut, Du sollst Deinen Willen haben und frei bleiben, obgleich ein Reiter wie Du ganz andere Chancen haben könnte. Aber eine Extragratification sollst Du noch haben, wenn Du einmal versuchst, den Rappen dort zu besteigen. Er wirft Jeden ab, und wenn Du ihn zum Pariren bringst, so wird es Dein Schade nicht sein!«
Das in Rede stehende Thier war schon längst unruhig geworden, warf den schönen, ausdrucksvollen Kopf auf und nieder, zerrte am Zügel und schleuderte den Sand mit den ungeduldig scharrenden Hufen empor. Der Geselle warf einen besorgten Blick hinüber und entgegnete achselzuckend:
»Danke! Meine Frau Mutter hat mir verboten, Hengste zu besteigen!«
Der Offizier lachte ärgerlich und wandte sich zum Junker.
»Weißt Du was, Bredenow, ich mag das Pferd nicht länger zwecklos mit mir herumführen; besteigen kann ich es nicht, und der Braune wird ja nun wohl seine Schuldigkeit thun. Willst Du den Rappen in Futter nehmen? Ich stehe Dir natürlich zu Gegendienst bereit.«
»Meinetwegen. Ich habe hier feste Station und werde ihn zu halten wissen.«
»Topp, nimm ihn.«
Die Pferde wurden abgeführt, die Menge verlief sich und die Offiziere folgten nach.
»Fast hätte mich das gute, prächtige, treue Thier verrathen!« murmelte leise der Geselle und trat dann zum Meister, welcher unter der Thür stand.
»Nun, wie ist’s, wollt Ihr mich haben oder nicht?«
»Na, wenn Du denkst«, schmunzelte der Angeredete.
»Gut. Ich mache nicht viel Worte und habe meine eigne Weise, aber ich denke, wir werden zufrieden mit einander sein!«
Noch spät am Abende, als Alles zur Ruhe gegangen war, setzte sich Weißpflog an den Tisch, zog den Lampendocht putzend aus der Dille, richtete die große, rundglasige Klemmbrille auf die Nase, schob erwartungsvoll das Pechkäppchen auf den Hinterkopf und öffnete das Wanderbuch des neuen Gesellen, in welches er noch gar nicht gesehen hatte, weil seine ganze Zeit von der Arbeit und der Sorge für die Einquartierung in Anspruch genommen worden war.
»De e de, e em em dem; I en In, ha a ha, Inha; be e be, e er er, ber; Inhaber; dem Inhaber; de i di, i e ie, die; es e se, es es, ses; dieses; dem Inhaber dieses; Be u Bu, es ze ha che Buch; e es es, ches, Buches; dem Inhaber dieses Buches.« – – –
Als die mühsame Lectüre beendet war, schob er den qualmenden Docht wieder zurück, langte die Brille von der Nase herunter in’s Futteral und brachte auch das Hausmützchen wieder auf den Pfiff, den es kraft des Gewohnheitsrechtes stets beanspruchen durfte, wenn sein Herr und Gebieter nach seiner eignen Ausdrucksweise über etwas »nachzusimpeliren« hatte.
»Also Goldschmidt heißt er, Richard Goldschmidt, und aus Hannover kommt er, und dreißig Jahre alt ist er. Hm! Warum er doch nur bei diesem Alter noch nicht geheirathet und sich eine eigne Wirthschaft gegründet hat? Statt dessen läuft er in der Welt herum und lumpt die Kleider ab! Hm! Ist vielleicht ein Trinker oder hat sonst eine lüderliche Angewohnheit, sonst müßte er ja bei seiner Geschicklichkeit ganz anders dastehen.
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