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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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hinan!«
    »Pah, am Ende gar den Bratenrock anziehen und Perücke und seidene Handschuhe dazu! Der Braune ist auf die Dauer nur dadurch zu bemeistern, daß man ihm Respect vor dem Schurzfell einflößt und ihn an den Anblick desselben gewöhnt, sonst wird er heut beschlagen und morgen ist der Rappel wieder da. Platz gemacht, ihr Leute; bindet ihm die Zügel lang an den Sattelknopf und laßt ihn dann frei!«
    Es geschah, und erwartungsvoll zogen sich Alle zurück. Im ersten Augenblicke schien das Pferd nicht zu wissen, was es mit der überlassenen Freiheit beginnen solle; als der Geselle sich ihm aber näherte, stieg es wiehernd kerzengrad in die Höhe und warf sich herum, das Weite zu suchen. Doch da stand der junge Mann vor ihm, schlug ihm die Linke in die Mähne, den Zeige-und Mittelfinger der Rechten in die dampfenden Nüstern und warf es mit einem Rucke, der einem Simson Ehre gemacht hätte, auf die Hinterbeine nieder. Allerdings war es im nächsten Augenblicke wieder auf, aber ebenso schnell lag es auch wieder am Boden; kein Schäumen und Knirrschen, kein Schlagen und Beißen, kein Wiehern und Stöhnen half gegen den unerbittlichen und gedankenschnellen Fremden, auf dessen Angesichte sich nicht die geringste Spur von Anstrengung und Aufregung zeigte, während das keuchende Pferd im Schweiße badete und die Schaumflocken weit umher warf. Es ermattete mehr und mehr und konnte nicht verhindern, daß der Geselle Platz im Sattel nahm.
    Da stand es eine Weile bewegungslos, wie um sich zu besinnen, dann aber ging’s mit allen Vieren in die Luft und versuchte, durch eine Reihe von Seitensprüngen den kühnen Reiter abzuwerfen. Dieser aber saß mit lächelndem Munde und leuchtendem Auge oben und schien desto größeres Gaudium zu empfinden, je toller es die Bestie unter ihm trieb. Da endlich rief er laut:
    »Aufgepaßt jetzt, wer etwas lernen will!«
    Mit kräftigem Stoße grub er den Daumen der geballten Hand zwischen Hals-und Rückenwirbel des Pferdes ein; dieses stieß einen Schmerzenslaut aus, der mit dem Klange des gewöhnlichen Wieherns nicht die entfernteste Aehnlichkeit hatte, und versuchte, wieder in die Höhe zu steigen. Aber wie eingemauert stak sein Leib zwischen den Schenkeln des Reiters, deren gewaltiger Druck ihm trotz der Anstrengung aller Muskeln und Fibern den Athem und die Bewegung raubte. Es war ein Anblick zum Angstwerden. Hier kämpfte Körperkraft gegen Körperkraft, und die geistige Ueberlegenheit des Menschen war für den Augenblick dispensirt. Die Adern an der Stirn und den Armen des Gesellen traten blau und angeschwollen unter der weißen Haut hervor; blutroth lag die Anstrengung auf seinem Gesichte und groß und schwer fielen die Tropfen des Schweißes ihm über die Wangen herab. Bewegungslos waren die Züge, starr hing das Auge an dem Kopfe des Pferdes, und dem Zerreißen nahe spannten sich die Zügel. Der Odem des Thieres stieg pfeifend aus den Nüstern, die Beißkette knirrschte unter den vor Angst zusammengepreßten Zähnen; die Hufe hoben sich unter den krampfhaft zuckenden Beinen und suchten doch sofort wieder den festen Boden. So hielten Roß und Reiter eine ganze kleine Ewigkeit an derselben Stelle, bis endlich das Thier lautlos zusammenbrach.
    Ein allgemeines »Ah!« der Erleichterung entfuhr den Umstehenden, deren Puls vor Beängstigung gestockt hatte, und die dünne Stimme des kleinen, vorlauten Cornets tönte:
    »Junker, an Den kommt Eure berühmte Muskelkraft doch noch nicht!«
    Und der Rittmeister eilte, mehr besorgt um den Zustand des Gesellen als denjenigen seines Pferdes, herbei und faßte ihn bei den Achseln.
    »Kerl, wo hast Du das gelernt, und woher nimmst Du diese heidenmäßige Stärke? Du bist ja ein wahrer Satan!«
    »Möglich!«
    Sich den Schweiß abtrocknend und dem Meister winkend, verschwand er in der Werkstatt, in welcher bald kräftige Hammerschläge ertönten. Und als er dann zurückkehrte, hatte sich das Pferd wieder emporgerichtet, ließ ihn, bei seinem Anblicke zitternd, ruhig und willenlos gewähren und war in kurzer Zeit beschlagen.
    »Hier ist Dein Lohn, Gesell, und das Fünffache bekommst Du als Handgeld, wenn Du die Stelle eines Fahnenschmiedes in meiner Schwadron annimmst.«
    »Danke, Herr Rittmeister. Meine Frau Mutter hat mir verboten, Soldat zu werden. Das Geld aber gehört nicht mir, sondern dem Meister.«
    »Deine Mutter hat mit unserem Handel nichts zu schaffen. Mir liegt viel daran, einen Kerl von Deinem Schrot und Korn bei mir zu haben, und wenn

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