Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin
guttun. «
Sie reagierte nicht, und so schob er ihr den Zucker einfach vorsichtig zwischen die Zähne. Einen Moment lang stemmte sie ihre Zunge dagegen, aber dann ließ sie es geschehen.
»Nicht kauen«, mahnte er besorgt. »Lassen Sie ihn langsam im Mund zergehen. «
Sie öffnete die Augen. »Es... geht... schon«, murmelte sie.
»Sie sehen aber noch immer sehr schlecht aus. Soll ich Sie vielleicht zu einem Arzt bringen?« «
Sie schüttelte den Kopf. »Ich... habe kein Zimmer«, sagte sie mühsam.
Jetzt begriff er, was ihn schon die ganze Zeit irritiert hatte: Ihr Englisch, obwohl flüssig, war das einer Ausländerin. Auf keinen Fall stammte sie von der Insel, und sie war auch keine Engländerin. Eine Touristin offenbar. Ohne Zimmer? Aber wie eine Landstreicherin sah sie nicht aus. Sie hatte die Augen wieder geschlossen und gab ihm dadurch Gelegenheit, sie ausgiebig zu mustern.
Er hätte nicht sagen können, ob er sie hübsch fand oder nicht. Für seinen Geschmack war sie ziemlich farblos. Sehr dünn, blaß, ungeschminkt. Die blonden Haare hatte sie mit einem schmucklosen Gummi zurückgebunden. Sie trug Jeans und einen hellen Baumwollpullover, der zerknittert und verschwitzt aussah. Vielleicht hätte sie etwas aus sich machen können, aber offensichtlich interessierte es sie nicht, wie sie aussah.
»Sie haben kein Zimmer?« fragte er. »Wann sind Sie denn angekommen ?«
Sie hob erneut die Lider. Sie hat schöne Augen, dachte Alan. Sie waren von einer interessanten blaugrünen Farbe und überschattet von auffallend langen Wimpern.
»Ich bin heute gelandet«, sagte sie. »Aus Deutschland.«
»Und Sie haben kein Zimmer?«
»Es hat ... etwas mit der Buchung nicht geklappt...« « Ihr Blick wurde langsam klarer. Sie setzte sich aufrechter hin. »Es geht mir besser. Wirklich, es wird besser.«
Er sah, daß ihre Wangen tatsächlich wieder eine Spur Farbe bekamen. »Sie sehen auch schon besser aus. Aber bleiben Sie bloß sitzen!« fügte er eilig hinzu, als er sah, daß sie Anstalten machte, aufzustehen. »So fit sind Sie nun auch wieder nicht!«
»Die Sekretärin meines Mannes wollte ein Zimmer buchen«, erklärte sie, »aber irgend etwas hat nicht geklappt.«
»Wo sollten Sie denn bleiben?«
»Im St. George Inn . Dort wohne ich immer. Ich habe mein Gepäck jetzt dort abgestellt. Mr. Karim – ihm gehört das Hotel – hat herumtelefoniert, aber er hat auch kein freies Zimmer mehr auftreiben können. Ich wollte zum Touristikbüro gehen, unten am Hafen, und zwischendurch war ich im...«, sie legte die Stirn in Falten, »wie heißt es? So ein Selbstbedienungsrestaurant gleich neben der Kirche. Ein wenig exotisch...«
Er kannte es. » The Terrace . Dort werden Sie wohl gewesen sein.«
»Ja. Ich stand in der Schlange am Tresen. Ich hatte schon Essen und Getränke auf dem Tablett und war kurz vor der Kasse, da ... « Sie stockte.
Er musterte sie aufmerksam. »Ja?«
»Ich bekam Panik«, fuhr sie leise fort, »und der Raum drehte sich vor meinen Augen. Die vielen Menschen... Ich war in Sekundenschnelle völlig aufgelöst. Ich mußte raus, etwas anderes konnte ich gar nicht mehr denken... Ich ließ alles fallen, das Tablett meine ich, mit dem, was darauf stand ... «
»Und dann stürzten Sie davon?«
»Ja. Ich rannte einfach weg. Ich wollte zum Hotel, zu meinen Sachen... Ich lief die Straße hinauf, und plötzlich konnte ich nicht mehr weiter. Meine Beine waren ganz weich... und ich hielt mich an Ihrem Auto fest...« Sie versuchte erneut, aufzustehen, aber Alan drückte sie sanft zurück. »Einen Moment noch. Sie sind immer noch ziemlich blaß um die Nase.«
»Aber ich halte Sie auf...«
»Sie halten mich nicht auf. Wissen Sie was? Wir gehen jetzt dort hinüber in The Cock and Bull «, er wies auf das Pub schräg gegenüber, »und trinken einen Schnaps. Das wird Ihnen guttun.«
»Ich muß mich um eine Unterkunft kümmern.«
»Da hätte ich eine Idee. Meine Mutter vermietet ab und zu ein Zimmer in ihrem Haus. Ich könnte sie anrufen, und wenn der Raum frei ist, könnten Sie ihn haben. Le Variouf liegt zwar sehr einsam, ganz im Süden der Insel, aber das ist Ihnen gleich, oder?«
»Das ist mir ganz egal. Wenn ich nur weiß, wo ich schlafen kann heute nacht.«
Sie zog sich langsam an der offenen Wagentür hoch. Sie schien noch ein wenig wackelig auf den Beinen zu sein, aber es ging ihr eindeutig besser.
»Ich muß noch zu The Terrace«, sagte sie, »und das Geschirr bezahlen, das ich zerdeppert
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