Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin

Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin

Titel: Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
Vom Netzwerk:
er nicht würde verzichten können. Sein ganzer Körper verlangte nach noch mehr Alkohol. Und seine Seele. Mit jedem Schluck wurde ihm Maja gleichgültiger, aber noch war sie ihm nicht gleichgültig genug. Er brauchte noch ein, zwei Gläser, und dann würde er gelassen zusehen können, wie sie mit jedem Mann der Insel vögelte.
    Ziemlich wacklig kehrte er mit dem Glas in der Hand zum Tisch zurück, wo die blasse Frau aus Deutschland immer noch auf der äußersten Stuhlkante balancierte, ihr volles Glas umklammert hielt und jeden Neuankömmling aus schreckgeweiteten Augen ansah.
    Wie schwach sie ist, dachte er mit einem Anflug von Aggression, aber gleich darauf hätte er fast gelacht: Wer war er, so zu denken? Er hielt sich am Alkohol genauso fest wie sie sich an ihren Tabletten. Seine Ängste, seine quälenden Gedanken, seine Phobien mochten anderer Natur sein als ihre, aber das spielte im Grunde gar keine Rolle. Es gelang ihm nicht, das Leben ohne Whisky zu ertragen, und sie mußte Tranquilizer schlucken, um überhaupt auf die Straße gehen zu können.
    Da haben sich wirklich zwei gefunden, die in einem Boot sitzen, dachte er, und angesichts ihres zerquälten Gesichts empfand er diese Vorstellung als äußerst unangenehm. Er hatte doch wohl keinesfalls eine ähnlich labile Ausstrahlung wie sie? Oder vielleicht war das bereits der Fall, und er merkte es nur nicht?

    »Ab und zu scheinen Sie aber doch zu reisen«, stellte er fest, »denn sonst wären Sie ja nicht hier, oder?«
    »Zweimal im Jahr«, sagte sie. »Zweimal im Jahr fliege ich für zwei oder drei Tage nach Guernsey. Das ist aber auch alles.«
    »Und das schaffen Sie?«
    Sie hob entschuldigend die Schultern. »Mit Hilfe der Tabletten, ja.«
    »Und warum bleiben Sie immer nur so kurz? Da lohnt sich der Flug doch kaum. Und Sie können die Insel gar nicht kennenlernen. «
    Sie druckste ein wenig herum. »Ich bin geschäftlich hier. Für meinen Mann.« «
    »Verstehe. Er verstand tatsächlich. Vermutlich handelte es sich um eine Steuergeschichte. Er nahm an, daß Franca Gelder abhob, die ihr Mann an der deutschen Steuer vorbei nach Guernsey gebracht hatte. Geschäfte dieser Art hatten sie hier ständig. Ihn ging es nichts an. Auch wenn illegale Machenschaften dahintersteckten, er brauchte sich darum nicht zu kümmern.
    »Sie sollten sich mal länger auf der Insel aufhalten«, meinte er, »diesmal zum Beispiel. Das Wetter ist herrlich. Und es soll die ganze nächste Woche so schön bleiben. Sie könnten wandern und schwimmen und sich ein wenig erholen. «
    Sie lächelte sehr müde. »Das geht nicht. Ich muß so schnell wie möglich nach Hause. Ich brauche meine Tabletten und das Rezept meines Arztes. Sie verstehen nicht... « Sie runzelte die Stirn, schien angestrengt zu überlegen, wie sie ihm den komplizierten Sachverhalt klarmachen könnte. »Es geht mir sehr schlecht ohne die Medikamente. Ich kann dann nicht für mich garantieren. Ich habe entsetzliche Panikanfälle, von denen ich nicht weiß, wie ich sie durchstehen soll.«
    »Aber diesen haben Sie durchgestanden.«
    Sie sah ihn erstaunt an. »Was meinen Sie?«
    »Na ja, Sie haben doch vor ungefähr zwei Stunden in The Terrace einen solchen Panikanfall bekommen. Und Sie konnten dabei nicht auf Ihre Tabletten zurückgreifen. Sie haben ihn durchgestanden. «
    »Nun, ich ... «

    »Nein. Sie haben ihn durchgestanden. Es war schlimm, es war fürchterlich, aber Sie sind nicht daran gestorben.«
    » Ich dachte, ich sterbe. Ich wußte nicht mehr ... «
    Diesmal zögerte er nicht, sie anzufassen. Er legte ihr beruhigend die Hand auf den Arm. Er konnte das leise Zittern in ihrem Körper spüren. »Sie dachten, Sie sterben. Sicher, das kann ich verstehen. Sie dachten, Sie stehen es nicht durch. Aber was war dann?«
    »Sie kamen vorbei und kümmerten sich um mich.«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich habe Ihnen einen Sitzplatz in meinem Auto angeboten. Aber das war nicht entscheidend. So oder so, die Panik wäre verebbt. Das ist einfach so.«
    »Woher wollen Sie das wissen?«
    »Ich denke, so ist das Prinzip. Und der Vorgang mit Ihnen hat das bestätigt. Ich denke, Sie haben seit sehr langer Zeit zum erstenmal wieder die Panik bis zu ihrem Höhepunkt kommen lassen. Zwangsläufig, weil Sie sie diesmal nicht vorher mit Ihren Pillen abfangen konnten. Aber nichts, gar nichts kann höher steigen als bis zu seinem eigenen Höhepunkt. Danach beginnt es wieder zu fallen. Das ist wie mit den Wellen des Meeres. Sie steigen und

Weitere Kostenlose Bücher