Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin
dasteht.«
Sie verließen den baufälligen Schuppen. Draußen atmete Franca tief durch. Die klare Luft tat ihr gut. Drinnen hatte eine Stickigkeit geherrscht, die ihre Beklemmungen und ihren Kopfschmerz verstärkt hatte.
»Na gut«, sagte sie, »sehen wir nach.«
Sie öffneten die Tür des zweiten Gewächshauses. Es handelte sich um eine große Pforte, sehr breit, mit zwei Flügeln versehen, die sich beide nach außen aufklappen ließen. Auch hier waren die Fenster mit Brettern und Pappe verschlossen, aber es brannten einige Lampen. Entlang den Wänden befanden sich die gleichen karg bestückten Gestelle und Kästen, die sie bereits vorher gesehen hatten. In der Mitte des Raumes aber stand ein weißgrünes Segelboot. Darum hatte sich eine Gruppe von Männern postiert.
Einer von ihnen war Kevin.
Franca begriff nicht sofort, was sie da sah, und sie hatte den Eindruck, daß auch Alan nicht auf Anhieb wußte, was sich vor seinen Augen abspielte. Das Gespräch der Männer war abrupt verstummt ; sie wandten sich zur Tür und starrten die Eintretenden an. Kevin wurde blaß, und es schien, als verdunkelten sich sogar die Ringe unter seinen Augen.
Er war der erste, der das Schweigen brach.
»Alan!« rief er.
Die beiden Männer schauten einander an, schweigend, so als versuche jeder zu ergründen, was im anderen vor sich ging.
Der Bann war gebrochen. Einer der Männer sagte mit scharfer Stimme: »Wer sind die beiden?«
In Francas Kopf jagten sich die Gedanken. Ein Segelboot, fünf fremde Männer, Kevin, das halbverfallene Gewächshaus, die Atmosphäre von Angst und Bedrohung... Noch immer vermochte
sie sich nicht die Zusammenhänge zu erklären, aber ihr Blick fiel auf Alan, und an seinem Gesichtsausdruck sah sie, daß er soeben etwas begriffen hatte, daß er seine Schlüsse zog, und sie erkannte noch etwas: Ein kaum merkliches Zucken in seinem Gesicht verriet ihr, daß er den Unwissenden spielen, daß er seine Erkenntnis für sich behalten würde.
»Wir sind Freunde von Kevin«, sagte Alan. »Wir machen gerade eine Fahrt über die Insel und dachten, wir schauen einmal vorbei. Wir wußten ja nicht, daß wir stören.« Er sprach sehr beiläufig und harmlos. Wer ihn kannte, mußte stutzig werden: Alan legte eine solch gleichgültige Attitüde nur dann an den Tag, wenn er irgend etwas verbergen wollte.
Er hob lässig die Hand. »Okay, Kevin. Du hast zu tun. Wir fahren ein wenig die Küste nach Norden hoch. Franca soll ja auch einmal die Ecken der Insel sehen, die sie nicht kennt.«
»Klar«, sagte Kevin und rang sich ein mühsames Lächeln ab, »sie kennt noch viel zuwenig von Guernsey.«
»Bis bald«, meinte Alan, nickte den fremden Männern zu und schob Franca vor sich her zur Tür hinaus. Sie spürte seine Hand ungewohnt hart an ihrem Rücken, er grub seine Finger in ihr Fleisch, tat ihr weh.
Er wollte weg, so rasch wie möglich, und er mußte sich beherrschen, ihrer beider Rückzug so gelassen wie möglich darzustellen.
Kaum waren sie draußen, raunte er ihr zu: »Schnell! Zum Auto! Aber wir dürfen nicht rennen. Sie beobachten uns, und dann wissen sie, daß wir etwas gemerkt haben.«
»Wer sind die Leute?«
»Hast du das Boot gesehen? Die klauen Yachten. In Kevins sogenannten Gewächshäusern werden die Schiffe umlackiert. Dann gehen sie vermutlich nach Frankreich.«
Sie entfernten sich mit gleichmäßigen Schritten von dem Schuppen. Franca merkte, daß ihr Herz raste, daß ihr der Schweiß an den Handflächen und am Bauch ausbrach. Auf einmal war die Bedrohung, die sie gerade so vage und unfaßbar empfunden hatte, Realität geworden. Die Einsamkeit ringsum war nicht mehr wild und schön, sondern gefährlich und abgründig. Die Flut brauste über den Strand, die Schreie der Möwen gellten wie Warnrufe. Sie
sah Helene vor sich, sah sie auf dem Feldweg liegen, während rings um sie das Blut sich ausbreitete.
Gott, dachte sie entsetzt, denn irgendwie wurde ihr in diesem Moment klar, daß dies alles in einem Zusammenhang stand und daß sie gerade eben die Mörder der alten Frau gesehen hatte. Daß sie mit den Mördern ganz allein waren.
»Meinst du, daß Kevin ... «, setzte sie an, und Alan wußte, was sie fragen wollte, nahm ihr den Satz aus dem Mund.
»... etwas damit zu tun hat? Aber sicher. Der steckt mittendrin. Und den einen Typ kenne ich auch. Maja hatte ein Verhältnis mit ihm.«
Mit wem, dachte Franca, hatte Maja eigentlich kein Verhältnis?
Der Weg zwischen Auto und Gewächshäusern war ihr
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