Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin
ganzes Leben begleitet hatte. Seine Massivität gab ihr ein wenig Ruhe zurück, ein Stück Gelassenheit.
Julien sah auf seine Uhr. »Ich muß gehen«, sagte er, »ich habe noch eine Verabredung. Tut mir leid, wenn ich so abrupt ... «
Die blonde Serviererin des Sea View hatte sich genähert, blieb an ihrem Tisch stehen. »Mrs. Shaye?« fragte sie.
Beatrice blickte auf. »Ja?«
»Telefon für Sie. Drinnen an der Theke.«
»Oh!« Sie war überrascht. Sie war noch nie in einem Cafe oder Restaurant angerufen worden. Sie stand auf. »Bitte, warte noch einen Moment, Julien, ja? Ich bin gleich wieder da.«
Sie hatte den Eindruck, daß er nervös war, es wirklich eilig hatte. Sie nahm sich vor, ihn gleich zu fragen, mit wem er verabredet war. Sie hatte die ganze Zeit gedacht, er sei einfach so nach Guernsey gekommen, aus irgendwelchen sentimentalen Erinnerungen heraus, aber offenbar hatte er wirklich etwas vor.
Mit mir hat er sich nie verabredet, dachte sie, und die Eifersucht war wie ein feiner Stich in ihrem Körper.
Der Telefonhörer lag neben dem Apparat auf der Theke. Die Serviererin, die vorausgegangen war, machte eine Handbewegung. »Hier. Bitte sehr!«
Beatrice nahm den Hörer auf. »Beatrice Shaye«, meldete sie sich.
Am anderen Ende war Franca. Sie hörte sich völlig aufgelöst an.
»Beatrice, sind Sie noch mit Julien zusammen? Gut. Dann halten Sie ihn bitte irgendwie fest. Was? Das kann ich Ihnen nicht ausführlich erklären. Er gehört zu einer Bande, die Schiffe auf den Kanalinseln stiehlt und nach Frankreich verkauft. Ja, ich weiß, das klingt absurd. Aber Alan ist ganz sicher. Kevin gehört auch dazu. Ich muß die Polizei anrufen und in die Perelle Bay schicken und zum Sea View. Julien muß unbedingt dort bleiben. Beatrice, er ist möglicherweise gefährlich. Er hat ... er hat vielleicht etwas mit Helenes Tod zu tun. Nein, ich phantasiere nicht. Bitte, Beatrice, glauben Sie mir. Ich bin mit knapper Not entkommen. Sie müssen nichts tun, als Julien festzuhalten. Bitte, machen Sie einfach, was ich Ihnen sage. Ich muß jetzt unbedingt die Polizei anrufen. Wir reden später!«
Sie schaltete das Handy aus. Nach ihrem Gefühl hatte es eine Ewigkeit gedauert, bis sie herausgefunden hatte, wie es funktionierte. Sie stand am Eingang irgendeines Dorfes am Meer, sie wußte nicht, wo sie war, nahm aber an, daß sie sich in der Nähe
von Pleinmont befand. Sie hatte am Straßenrand gehalten und sich mit dem Handy beschäftigt. Schon während der Fahrt hatte sie daran herumprobiert, aber es war ihr nicht gelungen, ins Netz zu kommen. Sie sah ein, daß sie im Fahren nichts ausrichten konnte. Wenn es jetzt nicht sofort funktionierte, würde sie das nächste Cafe oder Restaurant suchen und von dort telefonieren.
Ruhig, ganz ruhig, hatte sie sich ermahnt, du mußt die Nerven bewahren, sonst passiert gar nichts.
Das Handy hatte plötzlich gepiept, und es war ihr sogar gelungen, mit dem Auskunft-Service der Betreibergesellschaft verbunden zu werden. Sie verlangte das Cafe Sea View in St. Peter Port. Zu ihrer eigenen Überraschung hatte sie dann plötzlich eine Frau vom dortigen Personal in der Leitung.
»Mrs. Shaye«, hatte sie zu dem Mädchen gesagt, »eine weißhaarige Dame, siebzig Jahre alt. Sie sitzt bei Ihnen auf der Terrasse, ganz hinten, direkt am Wasser.« Die Terrasse des Sea View war, wie ihr einfiel, an drei Seiten vom Wasser umgeben, und so war ihre Beschreibung nicht allzu präzise, aber das Mädchen sagte, es werde nachsehen. Francas Hände zitterten, während sie wartete. Hatte sie richtig gehandelt? Hätte sie zuerst die Polizei verständigen müssen? Aber dann wäre Julien vielleicht weg gewesen. Sie durfte nicht an Alan denken. Der Schweiß brach ihr aus, ihre Finger prickelten. O Gott, sie durfte jetzt keinen Moment an ihn denken!
Dann hatte sie Beatrices Stimme gehört und ihr mit sich überschlagender Stimme geschildert, was geschehen war, und daß sie Julien festhalten solle. Sie hatte nichts von Alan gesagt, und sie hatte das Gespräch beendet, ehe Beatrice weitere Fragen stellen konnte. Sie hatte gemerkt, daß Beatrice sie für übergeschnappt hielt, und sie wollte nicht in weitere Diskussionen verwickelt werden. Sie schaltete das Handy ab und atmete tief. Sie konnte nur hoffen, daß Beatrice tun würde, was sie ihr gesagt hatte.
Keine Zeit, dachte sie, keine Zeit, darüber nachzudenken. Ich muß die Polizei anrufen.
Sie würde sich ebenfalls über die Auskunft verbinden lassen.
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