Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin
sie.
7
»Wie günstig, daß wir Mum nicht erst heimfahren müssen«, meinte Alan, als sie im Auto saßen. »So können wir gleich zu Kevin und brauchen ihr auch keine Erklärungen abzugeben.«
Franca ließ die Fensterscheibe am Beifahrersitz herunter, um ein
wenig frische Luft zu schnappen. Sie wußte, daß sie dringend eine Tablette brauchte. Alan hatte offenbar völlig vergessen, daß er sich in einer Apotheke nach einem ähnlichen Präparat hatte erkundigen wollen. Er war jetzt auf Verbrecherjagd, fieberte seinem Gespräch mit Kevin entgegen. Franca mochte ihn nicht erinnern, zumal sie dies ohnehin für sinnlos hielt: Sie war überzeugt, ihr Medikament nirgendwo ohne Rezept zu bekommen.
Die Sonne hatte jetzt eine immense Kraft erreicht. In Francas Erschöpfung mischten sich erste Anflüge jenes heftigen Kopfschmerzes, den sie nur zu gut kannte und der für gewöhnlich immer im Zusammenhang mit Michael aufgetreten war. Jetzt war es offensichtlich eine Reaktion auf den Entzug des gewohnten Medikaments.
Verdammt, dachte sie müde.
»Irgendwoher kenne ich den Typ«, sagte Alan, »ich weiß nur noch nicht, wo ich ihn einordnen soll. Aber das Gesicht habe ich schon einmal gesehen.«
»Vielleicht irgendwann einmal im Haus deiner Mutter?«
Er schüttelte den Kopf. »Das wüßte ich. Nein, nein. Es war in einem anderen Zusammenhang... Aber beim besten Willen komme ich jetzt nicht darauf.«
Er sprach nicht mehr davon, bis sie in Torteval anlangten. Das Hoftor vor Kevins Haus war geschlossen, und so parkten sie das Auto am gegenüberliegenden Straßenrand. Der eigentümlich spitzgiebelige Turm der Kirche von Torteval ragte in einen inzwischen strahlenden, wolkenlosen Himmel. Franca konnte die riesigen blauen Hortensien sehen, die entlang der Friedhofsmauer wuchsen. Eine sehr alte, steinerne, moosdurchsetzte Mauer... Sie versuchte, sich an dem Eindruck dieser Idylle festzuhalten, Kraft aus dem Frieden zu schöpfen, der das verwunschene, in blühende Gärten gebettete Dorf prägte. Sie brauchte Verstärkung gegen die Panik, die langsam wieder zu Kräften kam und eigensinnig hervorlugte. Sie hatte noch keineswegs aufgegeben.
Eine Hortensie als Waffe gegen die Angst, dachte Franca und bemühte sich, über diesen Gedanken zu lachen. Es gelang ihr nicht. Das Ausmaß ihrer Angst hatte nichts Komisches mehr.
Sie öffneten das Tor und traten in den Garten. Bienen summten
umher, im leisen Wind rieselten weiße Blüten von den Kirschbäumen. Alle Türen und Fenster des Hauses waren verschlossen. Alan betätigte einige Male den Türklopfer, aber es kam keine Reaktion darauf. Sie umrundeten das Haus, konnten jedoch niemanden entdecken.
»Ich glaube, Kevin ist nicht daheim«, sagte Alan enttäuscht, »ich verstehe das nicht! Wo kann er denn sein?«
»Vielleicht macht er irgendwelche Besorgungen«, meinte Franca. Sie war insgeheim erleichert. Der Gedanke, Kevin mit den ungeheuerlichen Vorwürfen zu konfrontieren, die Alan offensichtlich schon fast zur Tatsache nahm, hatte sie belastet. Außerdem konnte sie nun hoffen, schneller nach Hause zu kommen. Vielleicht gelang es ihr, zwischen den schützenden Mauern ihres Zimmers zu sein, ehe die Panik wie eine Flutwelle über sie hinwegrollen würde.
Alan sah in den Garten, an dessen Ende die Sonne sich in den gläsernen Scheiben der Gewächshäuser spiegelte.
»Wo sind denn eigentlich die berühmten neuen Gewächshäuser, deretwegen Kevin nun angeblich ständig in Schwierigkeiten steckt?« fragte er stirnrunzelnd. »Die Dinger dort hinten stehen jedenfalls schon seit Ewigkeiten da.«
»Keine Ahnung«, sagte Franca, »ich bin heute zum erstenmal hier. «
Das Haus, in dem Helene den letzten Abend ihres Lebens verbracht hatte... Franca blickte an der Fassade hoch. An der Ostseite wuchs Efeu. Die Fenster hatten Sprossen und waren von grünen Läden eingefaßt. Man konnte sich nicht vorstellen, daß in diesem Haus ein Verbrechen seinen Ausgang genommen haben sollte. Und doch mußte etwas geschehen sein... irgend etwas ... denn auch wenn Franca Alans Überlegungen, den Ablauf jenes Abends betreffend, nicht teilte, so blieben ein paar befremdliche Tatsachen bestehen, die sie nicht abstreiten konnte: vor allem die, daß eine offensichtlich ziemlich verstörte Helene nachts auf der Straße gestanden und auf ein Taxi gewartet hatte und daß es bislang dafür keine überzeugende Erklärung gab.
Sie war hier, dachte Franca, in diesem schönen, gemütlichen Häuschen, sie aß mit Kevin,
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