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Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin

Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin

Titel: Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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wollte, und legte beruhigend die Hand auf ihren Arm. »Bleib liegen. Das war eine lange Nacht. Du solltest dich jetzt ausruhen. «
    »Ich bin nicht müde.« Sie setzte sich erneut auf. »Ich werde...«
    Wiederum drückte er sie zurück, sanft, aber unmißverständlich. »Nein, mein tapferes kleines Mädchen. Du ruhst dich jetzt aus. Es ist keinem gedient, wenn du plötzlich zusammenklappst.«
    Sie verstand nicht recht, was er meinte — welche Art Sorgen er sich machte und warum er so tat, als sei sie aus Porzellan. Sie wußte nur, daß es keinen Sinn hatte, sich gegen ihn zu wehren.
    Es hat nie Sinn bei ihm, dachte sie plötzlich sehr müde.
    Er nahm ihre linke Hand zwischen seine beiden Hände, streichelte sie sanft. »Wenn ich dich nicht hätte, Beatrice, wenn ich dich nicht hätte ...«
    Sie wagte nicht, ihm ihre Hand zu entziehen, aber sie wünschte inbrünstig, er möge endlich verschwinden. Sie merkte, daß ihr
Herz heftig pochte, daß sie hellwach war und von Fluchtbereitschaft erfüllt — obwohl sie wußte, daß sie nicht würde fliehen können.
    »Es gibt keinen Menschen auf der Welt, der mich versteht«, sagte Erich, »nicht einen einzigen. Kannst du dir so etwas vorstellen, kleine Beatrice? Wie es sich anfühlt, wenn einen niemand auf der ganzen Welt versteht?«
    »Helene versteht Sie, Sir.«
    »Helene? Die versteht mich am allerwenigsten. Helene tut nur so, als sei sie sanft und lieb und voller Güte. Helene will anderen Menschen ihren Willen aufzwingen, und sie versucht es auf eine besonders heimtückische Art — mit Augenaufschlag und Piepsstimme und einer Wehleidigkeit, die dir ständig Schuldgefühle verursacht, und deshalb tust du irgendwann, was sie will, nur um eine Schuld abzutragen, die in Wahrheit gar nicht existiert.«
    Erich schwieg einen Moment lang und starrte düster vor sich hin. Obwohl er eindeutig betrunken war, formulierte er seine Sätze klar, und was er sagte, erschien Beatrice logisch und durchdacht. Ihr fiel ein, daß ihr Vater einmal gesagt hatte, manche Leute fänden im Zustand der Trunkenheit zu einer größeren Klarheit. Bei Erich schien dies der Fall zu sein.
    »Du denkst wahrscheinlich, in der Beziehung zwischen Helene und mir bin ich der Stärkere«, sagte er nun. »Alle denken das, weil Helene immerzu heult und jammert. Aber auf ihre Weise ist sie sehr stark, Beatrice, sehr stark. Du wirst das wahrscheinlich noch merken. Sie zwingt die Menschen unter ihr Joch. Auch mich.«
    Warum erzählt er mir das, fragte sich Beatrice unbehaglich, das alles ist allein seine Sache. Ich will es überhaupt nicht wissen.
    »Ich suche so oft nach einem Menschen, der mich versteht.« Erich klang jetzt weinerlich. »Einem Menschen, mit dem ich alles teilen kann, was ich empfinde. Mir gehen mehr Dinge im Kopf herum, als du vielleicht meinen magst. Ich habe sehr schöne Gedanken oft. Tiefe Gedanken, verstehst du? Manchmal sind es auch sehr, sehr traurige Gedanken.«
    Er sah sie an. Beatrice hatte den Eindruck, daß er einen Kommentar erwartete.
    »Das tut mir leid, Sir«, murmelte sie.

    »Es ist eine große Schwermut in mir«, teilte Erich feierlich mit. »Ich möchte, daß du das weißt, Beatrice. Es wird dir helfen, mich besser zu verstehen. Manchmal komme ich dir vielleicht eigenartig vor. Dann hat mich diese schreckliche Traurigkeit in ihren Fängen.«
    Beatrice fragte sich, ob er inzwischen doch nicht mehr recht wußte, was er redete, aber ihr fielen seine eigenartigen Stimmungsschwankungen ein, die sie schon manchmal befremdlich gefunden hatte. Sein Verhalten schwankte allzu häufig und rasch zwischen Euphorie und grüblerischer Weltabgewandtheit, zwischen Aggression und Melancholie. In seinen stillen Phasen hatte Beatrice manchmal gedacht, er brüte über finsteren Plänen, er lege den Schatten über sein Gesicht, um zu verbergen, was hinter seiner Stirn vor sich ging. Vielleicht aber hing er tatsächlich trüben Gedanken nach.
    »Es gibt einen Feind in meinem Innern«, sagte Erich. Plötzlich wirkte sein Gesicht zerfurcht, als sei er innerhalb weniger Momente um Jahre gealtert. »Er ist schlimmer und gefährlicher, als es jeder Feind von draußen sein könnte. Er sitzt ganz tief in meiner Seele. Das bedeutet, ich kann nicht vor ihm davonlaufen. Ich kann ihn auch nicht bekämpfen, denn wie sollte ich Krieg führen gegen mein eigenes Selbst?«
    Erwartet er eine Antwort? fragte sich Beatrice beklommen. Sie sagte lieber nichts, und nach einer Minute unbehaglichen Schweigens fuhr Erich

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