Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin
fixierte Will aus stechenden Augen. »Will, Sie können in Ihre Wohnung hinübergehen und sich schlafen legen. Die Geschichte wird ein Nachspiel für Sie haben, das erwarten Sie sicher nicht anders. Wie das aussehen wird, werde ich mir noch überlegen. «
»Wenn ich noch irgend etwas tun kann ...«, murmelte Will, aber ihn traf nur ein zynisches, wortloses Lächeln. Mit gesenktem Kopf verließ er den Raum, kurz darauf knirschten draußen seine Stiefel auf dem Kies.
Erich nahm sich einen dritten Whisky. Die Bewegungen, mit denen er einschenkte, wirkten bereits etwas fahrig.
»Wie gut, daß du da warst, Beatrice«, sagte er. Seine Zunge schlug an die Zähne. »Wie gut, daß es dich gibt. Du bist ein tapferes, umsichtiges Mädchen. Wahrscheinlich wäre meine Helene schon tot, wenn du nicht so überlegt gehandelt hättest.«
Beatrice entspannte sich etwas. Auf sie schien er jedenfalls nicht böse zu sein. Sie beschloß sogleich, seine mildere Stimmung zu Wills Gunsten zu nutzen.
»Sir, Will hat Mae nach Hause gefahren, weil Sie ihm das mittags aufgetragen hatten. Er wollte tun, was von ihm erwartet wurde.«
Erich nahm sich einen vierten Whisky. Mit sanfter Stimme sagte er: »Du bist vielleicht zu jung, das zu verstehen, Beatrice. Will genießt als mein persönlicher Adjutant manches Privileg. Dafür stellen sich ihm natürlich auch erhöhte Anforderungen. Er hat zu tun, was von ihm erwartet wird, ja, aber was wird letztlich von ihm erwartet? Meinen Befehlen zu folgen natürlich, aber darüber
hinaus muß er in der Lage sein, selbständig umzudisponieren, wenn es die Umstände erforderlich erscheinen lassen. Auf diese Fähigkeit muß ich mich bei ihm verlassen können. Ich brauche keinen Sklaven. Sklaven habe ich, das sind die beiden Franzosen, die sich um die Rosen kümmern, und das sind die Leute, die hier die Straßen und Bunker und Wälle bauen. Ich brauche jemanden, der eigenständig mitdenkt. «
Man hörte ihm an, daß er eine Menge getrunken hatte, aber seine Stimme war emotionslos, und Beatrice wußte inzwischen, daß er dann am gefährlichsten war. Wenn er unbeherrscht herumtobte, so wie am Mittag, mochte er damit seine Umgebung, besonders Helene, in blinde Furcht und Verzweiflung versetzen, aber im Grunde steckte wenig dahinter. Vor Erich mußte man auf der Hut sein, wenn er sanftmütig wurde, wenn er leise sprach, wenn er sachlich und ausführlich seine Gründe und Gedanken darlegte. Dann plante er einen Schlag, den er kalt ausführen würde, und das machte ihn so gefährlich.
Trotzdem wagte Beatrice zu sagen: »Will konnte nicht ahnen, daß so etwas passieren würde. Niemand kann so etwas ahnen.«
Erich lächelte; es war ein eisiges Lächeln. »Helene ist eine hochgradig hysterische Person. Du weißt das nicht, weil du sie noch nicht lange genug kennst. Will kennt sie auch noch nicht lange, natürlich. Aber er ist erwachsen. Ein Erwachsener kann diese Dinge eher einschätzen. Ich bin sicher, daß ihm sehr schnell klar war, daß er es mit einer neurotischen Person zu tun hat. Einer Person, die durchaus selbstmordgefährdet ist.«
Beatrice riß die Augen auf. »Hat sie schon einmal versucht...?«
»... sich das Leben zu nehmen? Nein. Aber du kannst mir glauben, ich habe schon eine Menge unschöner Szenen mit ihr erlebt. Weinkrämpfe, Ohnmachtsanfälle, Fieberattacken. Es ist erstaunlich, welche Krankheiten Helene tatsächlich entwickeln kann, wenn es darum geht, die Umwelt unter Druck zu setzen oder mir deutlich zu machen, ich würde sie schlecht behandeln. Sie ist erfinderisch. Man darf sie nicht allein lassen, wenn die Hysterie sie überkommt. Sie ist dann zu allem fähig — wie sich ja wieder gezeigt hat.«
»Sie war traurig, weil Sie so mit ihr geschimpft haben, Sir.«
»War sie das?« Erich kramte eine Zigarette aus der Tasche und entzündete sie.
»Ich will dir etwas sagen, Beatrice. Helene ist immerzu traurig. Das liegt in ihrer Natur. Helene kreist von morgens bis abends nur um sich selbst, um ihre Kümmernisse und Wehwehchen, ihre eingebildeten Sorgen und Probleme. Sie beschäftigt sich einfach nur mit sich, und das genau führt zu jenem übersteigerten Verhalten, das sie immer wieder an den Tag legt.«
Beatrice empfand es nicht unbedingt als übersteigert, daß Helene nach den Angriffen ihres Mannes zusammengebrochen war, auch wenn ihr das Aufschneiden der Pulsadern sehr drastisch vorkam.
»Was tun wir nun?« fragte sie sachlich.
Erich starrte sie an. » Wie — was tun wir
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