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Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin

Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin

Titel: Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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fort: »Wir Deutschen sind ein siegreiches Volk. Wir sind im Begriff, die ganze Welt zu erobern. Kennst du ein Land, das uns ernsthaft Widerstand zu leisten vermag? Es gibt nichts und niemanden, der uns aufhalten könnte. Wir sind die Rasse, der die Welt gehört — und ich bin ein Teil davon. Ich bin Teil einer siegreichen und stolzen Nation. Und um so erbärmlicher fühle ich mich, wenn ich merke, daß ich mit ihm hier drinnen ...«, er legte die Hand auf sein Herz, «... mit diesem gnadenlosen Feind in meinem Innern nicht fertig werde. Er ist stärker als ich, verdammt stark. Manchmal kann ich ihn betäuben. Dann schläft er für eine Weile und läßt mich in Frieden, aber es ist fast so, als sammle er auch neue Kraft in diesen Phasen. Wenn er aufwacht, ist er wieder stark und lebendig wie ein junger Hund. Und dann
fällt er mich an und schlägt seine Zähne in mein Fleisch und läßt nicht mehr von mir ab.«
    »Vielleicht ist er gar nicht so stark, wie Sie denken«, sagte Beatrice vorsichtig. Sie hätte sich gern aufgesetzt, weil sie sich in ihrer liegenden Position so hoffnungslos unterlegen empfand, aber sie war überzeugt, daß er sie wieder auf das Kissen zurückdrücken würde, und so unterließ sie einen Versuch, der von vornherein zum Scheitern verurteilt war. »Vielleicht spielt er sich nur auf.«
    Erich sah sie überrascht an. »Wie meinst du das?«
    Beatrice überlegte, was sie gemeint hatte. Es ging um Dinge, die schwer zu verstehen, schwer zu formulieren waren. Andrew hatte oft mit ihr über Ängste gesprochen und darüber, wie man mit ihnen umgehen konnte. Es war ihm daran gelegen gewesen, ihr klarzumachen, daß sie jede Art von Angst beherrschen konnte und sich nicht selbst beherrschen lassen mußte.
    »Wenn Sie Angst haben vor jemandem«, sagte sie, die Worte ihres Vaters rekapitulierend, »dann gehen Sie meistens einen Schritt zurück. Und der andere kommt dann nach. Er hat mehr Platz, und Sie haben weniger. Dadurch wirkt er stärker, aber das scheint nur so, weil Sie ihm Platz gemacht haben.«
    »Und was schlägst du vor?«
    Sie überlegte. »Vielleicht muß man einfach stehen bleiben. Und genau hinschauen. Vielleicht ist der andere gar nicht so mächtig.«
    Er lächelte ein wenig. »Wie einfach das klingt aus deinem Mund, kleine Beatrice. Wie ist es...« Er musterte sie scharf. »Hast du eigentlich Angst vor mir?«
    »Nein«, sagte Beatrice.
    »Bist du ehrlich?«
    »Ich denke schon.«
    In seine Augen trat ein Ausdruck der Bewunderung. »Ich glaube dir. Du bist stark. Stärker als Helene und ich. Komm her!« Er zog sie hoch zu sich heran. »Nimm mich in die Arme. Würdest du das tun? Nur für einen Moment.«
    Sie zuckte unwillkürlich zurück. Erich berührte sanft ihre Wange. »Ich will wirklich nichts anderes. Du sollst mich nur festhalten. «
    Zögernd legte sie beide Arme um ihn. Der Stoff seiner Uniform
fühlte sich kratzig an. Er preßte sein Gesicht gegen ihres; verstärkt nahm sie den Geruch des Whiskys wahr und spürte die Rauheit seiner Bartstoppeln. Sie fand es nicht unangenehm, ihn so dicht zu spüren; trotz der Alkoholausdünstung hatte er einen Geruch, den sie irgendwie mochte — eine Mischung aus einem guten Rasierwasser und seiner Haut, die an herbe, getrocknete Kräuter erinnerte.
    »Du kannst mir viel Kraft geben«, murmelte er an ihrem Hals. »Ich brauche dich, Beatrice.«
    Überrascht registrierte sie, daß er in diesem Moment wohl wirklich empfand, was er sagte. Er klammerte sich an sie wie ein kleines, verlorenes Kind. Wie schwierig, dachte sie, wie schwierig wird das alles noch werden.
    Erich begann leise zu weinen.

11
    Es gibt keinen Monat, der so trostlos ist wie der Januar, dachte Franca. Viele Menschen sagten, der November stimme sie trübsinnig, aber Franca erging es ganz anders. Sie mochte diesen Monat. Sie fand, daß seine kurzen, grauen Tage, sein Nebel und sein kalter Wind Geborgenheit schenkten. Der November legitimierte den Rückzug in die eigenen vier Wände, er rechtfertigte die Abkehr von der Welt, das Eintauchen in Kerzenlicht, heißen Tee, Weihnachtsmusik und Kaminfeuer. Der November vermittelte Franca stets das Gefühl, für eine kurze Zeit ihre Wesensart in Einklang mit der Welt bringen zu können.
    Im Januar war es genau andersherum. Der Januar war wie eine weit aufgerissene Tür, zu der das Jahr hereinflutete, mit all den tausend Möglichkeiten und Gefahren, die es bereithielt. Franca hatte Michael einmal diese Empfindung zu erklären versucht, und sie

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