Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin
nun?«
»Nun ja, Sir, ich nehme an, Mrs. Feldmann wird bald wieder hier sein, und ich ... wir müssen aufpassen, daß sie es nicht wieder tut. Ich meine, daß sie nicht noch einmal versucht, sich... etwas anzutun. Man darf sie gar nicht mehr allein lassen.«
Mit einer ungeduldigen Bewegung schnippte Erich die Asche seiner Zigarette auf die Tischplatte. »Hör zu Beatrice, wir dürfen ihr vor allem nicht das Gefühl geben, daß sie uns mit dieser Tat tief erschüttert hat. Wenn sie den Eindruck gewinnt, sie kann mit derartigen Idiotien unsere Aufmerksamkeit und Sorge erregen, wird sie sich nämlich ständig etwas Derartiges einfallen lassen. Sie will unter allen Umständen ständig im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses stehen. Und wenn sie sich dafür jede Nacht die Pulsadern aufschneiden müßte.«
»Vielleicht sucht sie Wärme?«
Er hatte ein Glitzern in den Augen, das Beatrice bedrohlich erschien. »Du meinst, die bekommt sie nicht genug von mir? Diese Wärme?«
»Ich weiß es nicht, Sir.«
»Aber du denkst dir doch irgend etwas. Ich bin sicher, dir gehen eine Menge Dinge durch den Kopf. Sag mir deine Meinung, Beatrice. «
Sie zuckte mit den Schultern, antwortete nicht. Erich drückte seine Zigarette auf der Tischplatte aus — wie sorgfältig ist Mummie
immer mit der Politur umgegangen, dachte Beatrice — und stand auf. »Ich rufe noch einmal im Krankenhaus an«, sagte er schließlich.
Es ging Helene den Umständen entsprechend gut, ihr Kreislauf hatte sich stabilisiert, sie schlief.
»Wir können zu Bett gehen«, sagte Erich, »wir müssen uns keine Sorgen mehr machen. Helene ist in Sicherheit. Ihr kann nichts mehr passieren.«
Er griff erneut nach der Whiskyflasche. »Du hast gut funktioniert, Beatrice. Wirklich gut. Du bist ein vernünftiges Mädchen. Ich bin stolz auf dich.«
Wieso sollte er stolz sein auf mich , dachte Beatrice verärgert, aber sie sagte nichts. Ganz allmählich glitt die Anspannung von ihr ab, und die Müdigkeit packte sie jäh. Es war drei Uhr in der Früh, und auf einmal sehnte sie sich nur noch nach ihrem Bett, nach einem tiefen, traumlosen Schlaf, der sie die Aufregungen der letzten Stunden würde vergessen lassen, die blutüberströmte Helene, den bleichen Will, den angetrunkenen Erich.
Über all das kann ich morgen wieder nachdenken, sagte sie sich erschöpft.
Sie erwachte in dem Bewußtsein, nicht allein in ihrem Zimmer zu sein. Irgendwie mußte das Gefühl, daß sich ein anderer Mensch in ihrer Nähe befand, bis in die Tiefen ihres Schlafes vorgedrungen sein. Sie hatte die völlige Traumlosigkeit genossen, die sie sich so gewünscht hatte. Nun bemerkte sie fahles, graues Morgenlicht vor dem Fenster. Es mußte noch sehr früh am Tag sein, und das strahlende Spätsommerwetter war wohl umgeschlagen in der Nacht; an der Farbe des düsteren Lichts erkannte Beatrice, daß Nebel draußen herrschen mußte.
Whiskygetränkter Atem streifte ihre Nase. Erich saß an ihrem Bettrand und neigte sich über sie. »Bist du wach?« raunte er.
Eine Sekunde lang schien es ihr das beste zu sein, sich schlafend zu stellen, aber sie ahnte, daß er sich damit nicht zufriedengeben würde. Er würde nicht ruhen, bis er sie geweckt hatte, und sie konnte ebensogut sofort die Augen aufschlagen.
Ihr Magen krampfte sich kurz zusammen. Sie hatte Angst, ohne
genau zu wissen, wovor. Erich hatte bislang die Privatsphäre ihres Zimmers respektiert. Er hatte alles in Besitz genommen, aber diesen Raum hatte er noch nie betreten. Und Beatrice hatte sich darauf verlassen, daß er es auch nie tun würde. Als hätte es eine geheime Absprache zwischen ihnen gegeben, die Grenzen absteckte, die keiner von ihnen übertreten würde.
Jetzt hatte Erich diese Grenze übertreten. Er war nicht nur in das Zimmer gekommen, er saß sogar auf dem Bett.
Zu nah, sagte eine Stimme in Beatrice, viel zu nah. So nah darf er keinesfalls kommen.
Sie öffnete schließlich die Augen.
Es war hell genug im Zimmer, so daß sie seine Züge erkennen konnte. Er war sehr blaß im Gesicht, aber das mochte daran liegen, daß das Licht von draußen alle Farben dieses Morgens schluckte und jedem Gegenstand, jedem Menschen einen fahlen Anstrich verlieh. Erichs Augen glänzten unnatürlich, Schweiß lag auf seiner Stirn.
»Ach, du bist wach«, sagte er. Es klang erleichtert.
»Was ist denn los?« fragte Beatrice und richtete sich auf. »Wie spät ist es?«
»Gleich acht Uhr. Nein...« Er hatte gesehen, daß sie sofort aufstehen
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