Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin
erinnerte sich nur zu gut an die Gereiztheit, mit der er auf ihre Worte reagiert hatte.
»Möglichkeiten und Gefahren! Mein Gott, Franca, wenn diese Kombination nur nicht wieder so schrecklich typisch für dich
wäre! Möglichkeiten und Gefahren! Das Wort Möglichkeiten besetzt du einfach automatisch mit einer negativen Assoziation. Dir kommt überhaupt nicht in den Sinn, daß ›Möglichkeit‹ auch positiv besetzt sein könnte!«
»Nun, ich ...«
Er hatte sie nicht ausreden lassen. »Du witterst Gefahren an allen Ecken und Enden, Franca, und das ist einfach krankhaft. Das Schlimme ist, es wird auch nicht besser mit dir. Kannst du dir nicht vorstellen, daß irgend etwas in deinem Leben auch mal gefahrlos ablaufen kann? Oder, noch kühner gedacht: daß du Gefahren bewältigen und überstehen könntest?«
Dieser Gedanke war ihr in der Tat kühn erschienen.
Er kann es nicht nachvollziehen, hatte sie gedacht, er kann mich nicht verstehen.
Diesmal war der Januar noch schlimmer. Er hatte nicht nur ein neues Jahr eingeleitet, ein neues Jahrhundert und sogar ein neues Jahrtausend. Franca kam es vor, als hätten sich alle Bedrohungen vervielfacht, und umdrängten sie lauernd und feindselig.
»Ich wünschte, es wäre Sommer«, sagte sie.
Sie saßen am Frühstückstisch in der Küche, es roch nach Kaffee und Rühreiern. Auf dem Fenster stand der trockene, nadelnde Adventskranz, seine vier roten Kerzen waren tief heruntergebrannt. Ein staubiges, verfallenes Relikt.
»Alle warten auf den Sommer«, sagte Michael nun auf Francas Bemerkung hin. Er klang schon wieder ungeduldig. »Der Sommer ist warm und bunt und riecht gut. Niemand kann dem Winter ernsthaft etwas abgewinnen.«
»Der Januar«, sagte Franca, »ich kann dem Januar nichts abgewinnen. «
Michael rührte in seiner Kaffeetasse. » Jetzt fängst du schon wieder mit dem Januar an! Ich meine, wenn du sagen würdest, der Januar ist kalt und häßlich, und deshalb kann ich ihn nicht leiden, dann könnte man das verstehen. Aber es sind ja wieder nur diese diffusen Ängste, die dir zu schaffen machen, stimmt’s? «
Eingeschüchtert gab sie zu, daß er recht hatte.
Michael seufzte tief und lehnte sich in seinem Stuhl zurück; er vermittelte den Eindruck eines Menschen, der sich gottergeben in
sein Schicksal fügt, ein bestimmtes Thema diskutieren zu müssen, der aber nicht gewillt ist, seine Gereiztheit und seinen Überdruß zu verbergen.
»Kannst du nicht versuchen, wenigstens versuchen, irgendwann einmal mit deiner Angst vor allem und jedem fertig zu werden? Ich kann diese eigenartigen Phobien einfach nicht begreifen. Wenn du wenigstens konkretisieren könntest, wovor du dich fürchtest und was dir deiner Ansicht nach an schrecklichen Dingen zustoßen könnte! Aber du weißt es ja selbst nicht. Du kannst keine einzige Gefahr benennen. Das macht die ganze Angelegenheit so widersinnig. Und so hoffnungslos.«
Widersinnig und hoffnungslos, dachte Franca, das sind die Attribute, die er für meine Gefühle findet. Letztlich die Attribute, die er für mich findet.
»Ich müßte wieder eine Aufgabe haben«, sagte sie. Ihre Stimme hörte sich zu hoch an, wie meist, wenn sie in einen Dialog mit Michael trat. Michael seufzte noch einmal. »Aha. Da hätten wir wieder einmal das alte Thema. Du brauchst eine Aufgabe. Woran hast du gedacht?«
Er wußte natürlich, daß sie an nichts gedacht hatte. Daß ihr zwar eine Menge Dinge einfielen, die sie gern tun würde, daß es aber nichts gab, was zu bewältigen sie sich zutraute. Hier lag das Problem.
»Ich weiß nicht«, sagte sie.
»Wenn du sagst, du brauchst eine Aufgabe, dann wirst du doch an irgend etwas gedacht haben.«
»In meinen alten Beruf kann ich nicht zurück.«
»Das haben wir bis zum Umfallen besprochen. Den Punkt könnten wir langsam abhaken, findest du nicht? Anstatt ständig zu diskutieren, was du nicht kannst, sollten wir darüber sprechen, was du kannst!«
Ich gehe ihm entsetzlich auf die Nerven, dachte Franca. Sie fühlte sich von dem kurzen Wortwechsel bereits so frustriert und müde, als habe sie eine ganze Nacht mit einer zermürbenden Diskussion verbracht. Es war schon jetzt klar, daß aus diesem Gespräch nichts für sie herausspringen würde — nicht einmal ein Funken Wärme und Anteilnahme von dem Mann, den sie acht Jahre
zuvor geheiratet hatte. Sie wünschte bereits, sie hätte das Thema gar nicht angeschnitten.
»Es ist nicht so wichtig«, sagte sie schwach.
Michael war natürlich nicht
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