Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin
kommen.« Will fuhr sich mit allen zehn Fingern durch die Haare. Er sah elend und verstört aus. «Ich hätte nicht fortgehen dürfen. Sie war völlig außer sich, und ich hatte ein ganz dummes Gefühl. Aber sie schrie mich an, sie wolle allein sein, und verschwand in ihrem Schlafzimmer, und dorthin konnte ich ihr ja schlecht folgen, oder? Ich war dann noch in meinem Zimmer, und später habe ich Mae heimgefahren, und ...«
»Nun regen Sie sich nicht auf«, sagte Dr. Wyatt beschwichtigend. »Sie konnten nicht ahnen, daß sie zu einer Rasierklinge greifen würde. Und niemand kann es letztlich verhindern, wenn ein Mensch es unbedingt tun will.« Er klopfte Will aufmunternd auf die Schulter und stieg dann in sein Auto, um dem Ambulanzwagen zu folgen, der schon das Gartentor erreicht hatte.
Zwischen Milchkochen, Kaminanzünden und dem Saubermachen des Badezimmers versuchte Will immer wieder, Erich über Funk zu erreichen, ohne jedoch Erfolg zu haben.
Als er sich zu Beatrice ins Wohnzimmer setzte, sah er völlig erschöpft aus. »Das Bad ist wieder in Ordnung«, sagte er. »O Gott, sie muß literweise Blut verloren haben. Ich möchte wirklich wissen... « Er sprach den Satz nicht zu Ende, sagte statt dessen: »Du solltest schlafen gehen, Beatrice. Du mußt todmüde sein. Dieser Tag war ein Alptraum, nicht?«
»Ich könnte jetzt nicht schlafen«, sagte Beatrice, »ich würde lieber hier unten bleiben.«
»In Ordnung. Wenn ich nur wüßte, wie die ganze Geschichte ausgeht! Mein Gott, käme nur Major Feldmann endlich heim!«
»Meinen Sie, daß man uns anruft vom Krankenhaus, wenn...« Beatrice wußte nicht, wie sie das Undenkbare formulieren sollte.
»Man wird uns anrufen, was immer passiert«, sagte Will. Er starrte auf den Telefonapparat. »Solange sich niemand meldet, ist es das beste Zeichen.«
Um halb elf rief Will selbst im Krankenhaus an. Mrs. Feldmanns Zustand sei unverändert, wurde ihm mitgeteilt, sie habe noch immer nicht das Bewußtsein wiedererlangt. Dr. Wyatt sei bei ihr.
»Immerhin lebt sie noch«, meinte Will. Er war aschfahl im Gesicht, und allmählich kam Beatrice der Gedanke, daß ihn nicht nur die Sorge um Helene umtrieb, sondern auch die um sich selbst. Wie würde Erich reagieren, wenn er erfuhr, was geschehen war? Er würde versuchen, einen Schuldigen zu finden, um sich nicht selbst die Schuld zusprechen zu müssen. Wer bot sich eher an als Will? Er hatte Helene in einem kritischen Zustand allein gelassen, war dann sogar fortgefahren. Beatrice war auf einmal ganz sicher, daß Erich sehr böse auf Will sein würde.
Kurz nach Mitternacht endlich hörten sie draußen einen Wagen vorfahren, dann eine Autotür schlagen. Gleich darauf kam Erich ins Zimmer. Er wirkte recht gut gelaunt, etwas müde, aber ausgeglichen. Überrascht betrachtete er die Situation, die sich ihm bot.
»Nanu? Was macht ihr denn hier? Könnt ihr nicht schlafen?«
Will erhob sich. Beatrice hatte den Eindruck, daß ihm die Knie zitterten. »Herr Major«, begann er. Er sprach deutsch, aber Beatrice bekam dennoch ungefähr mit, was er sagte. Stockend berichtete er, was geschehen war.
Erich rang um Fassung, dann herrschte er Will an, er solle ihn sofort mit dem Krankenhaus in St. Martin verbinden.
»Wieso, verdammt noch mal, habt ihr keinen deutschen Arzt geholt?« brüllte er.
»Beatrice wußte wohl nur ...«, begann Will, aber Erich unterbrach ihn sofort: »Wo waren Sie? Wie konnten Sie meine Frau in einem derart hysterischen Zustand zurücklassen? Allein mit einem zwölfjährigen Kind!«
Will reichte ihm den Telefonhörer. »Das Krankenhaus, Herr Major.«
Erich brüllte seinen Namen ins Telefon und verlangte, sofort den behandelnden Arzt seiner Frau zu sprechen. Dann lauschte er eine ganze Weile und sagte schließlich: »Ja, ja. Danke. Ja, das wäre nett. Danke.«
Er legte den Hörer auf, wandte sich an Will. »Sie ist nicht mehr bewußtlos. Ihr Zustand hat sich stabilisiert. Der Arzt meint, sie
schafft es.« Sein Gesicht war schweißnaß. »Ich brauche einen Whisky.«
Will schenkte ihm das Gewünschte ein, reichte ihm das Glas. Erich kippte den Inhalt mit Schwung hinunter. »Ich brauche noch einen.«
Er trank den zweiten Whisky so rasch wie den ersten. Beatrice schien es, als sei er schon vorher nicht ganz nüchtern gewesen, und wenn er so weitermachte, wäre er bald völlig betrunken. Sie krampfte ihre Hände um den Becher mit der heißen Milch und spürte, wie die Angst sich als kalter Schleier um sie legte.
Erich
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